DAS GROSSE TATTOOLOS

VON JENNI ZYLKA

Huch, was hat Blake Fielder-Civic, der Ex und Hopp von Amy Winehouse, denn da auf dem Unterarm? O Gott! Da hatte man es sich gerade mit einer Karte seiner Tattoos gemütlich gemacht, konnte sie alle auswendig hersagen, die Pin-up-Maus auf der rechten Brust, das verunglückte Doppeldeckerflugzeug auf der linken Hüfte, der Racheengel und die spillerige Burlesque-Tänzerin in der Martinischale auf dem rechten Oberarm, wo bekanntlich nicht viel Platz ist, der „AMY“-Schriftzug hinter dem rechten Ohr im Grünen, und jetzt das! Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!

Damit hat Blake Fielder-Civic tatsächlich ab sofort die bisherigen Tolle-Tattoos-Pole-Positions abgelöst: Diese seltsam unproportionierte Frau mit den Junkieaugen, dem Regenschirm und dem Pillbox-Hut, die aussieht wie der Geist von Jackie Kennedy und Morticia Addams zusammen, ist tatsächlich noch besser als die bisherige Nummer eins (ein weißer Monoblock-Plastik-Gartenstuhl), die Nummer zwei (ein Hotdog, das unten Wurst und oben Frau ist, und sich mit zwei kleinen Ärmchen Senf auf die eine und Ketchup auf die andere Brust drückt) und Nummer drei (zwei Delphine, die aussehen, als ob sie mit den Schwanzflossen Trauben einmaischen, und dabei skeptisch gucken).

Tattoos sind eben, genau wie Innendekoration, eine ganz persönliche und geschmacklich ausgefuchste Sache, und wahrscheinlich gibt es auf irgendeinem Internet-TV-Kanal auch längst „Tätowieren nach Wunsch“, mit der Tine Wittler oder der Enie van de Meiklokjes der Tätowierszene. Die kommen dann zu einem nach Hause, gucken sich die Körperteile richtig an, holen ihre drei Profipiker dazu, verbindem einem die Augen, dann surrt und blutet es ein bisschen und schon bekommt man die Augenbinde abgenommen, heult ein bisschen vor Freude und hat das Tattoo, das am besten zu einem passt! Jedenfalls nach Tine Wittlers und Enie van de Meiklokjes Meinung. Denn die sind ja Expertinnen. Und wenn man nun mal ein Gartentyp ist, freut man sich auch über den Monoblock-Plastikstuhl.

Dabei wurde die Tattoo-Bestenliste jahrelang von dem Osnabrücker Rockabilly angeführt, auf dessen zehn haarigen Fingergliedern beim Faustballen „G – E – N – E – V“ (dann Wechsel zur anderen Hand) „I – N – C – E – NT“ zu lesen war. Aber Tattoo-Moden ändern sich, Gene Vincent ist schon lange tot, und irgendwie könnte es sogar sein, dass das Tätowieren sich langsam überlebt hat: In Berlin-Schöneberg gibt es neuerdings einen Laden namens „tattoolos“, da wird man sein Tattoos los. Auf der Homepage der in Deko und Anmutung an die Haarentfernungsbrutzelbuden „Wax in the City“ erinnernden Klitsche prangt der Slogan „Ich bin tattoolos. Und Du?“, den sich bestimmt jener ehemalige Junior Creative Director Consultant Manager aus der Werbeagentur ausgedacht hat, der mit den Zeitarbeitsplakaten in den Achtzigern seine Hochzeit hatte: „I speak different languages. Et j’ai un travail trés interessant. Und Du?“ I have different tattoos. Et je ne travail pas du tout. Und jetzt kommst Du.