Banana-Split auf dem Prüfstand

Wenn Schokoladeneis aus Schokolade gemacht wird, was ist dann in Schlumpfeis drin? Ist Deutschland eine Nation von Fürst-Pückler-Langweilern? Kann man auch ohne Fett glücklich werden? Antworten darauf gab es beim Speiseeis-Qualitätstest der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Oldenburg

aus OldenburgJessica Riccò

Behutsam legt eine Laborantin das Untersuchungsobjekt mit einer Zange in die Petrischale. Dann wird es akribisch mit einem Messer halbiert. Jetzt bloß nichts falsch machen, sonst zerfällt es. Die Stimmung im Institut der Landwirtschaftskammer in Oldenburg ist angespannt, schweigsam und konzentriert.

Seit zwei Tagen sitzen 15 Experten vor den sensiblen Gütern und notieren jede Unregelmäßigkeit. Zum Glück handelt es sich dabei jedoch nicht um Marderkadaver mit Vogelgrippe, sondern um Speiseeis. Fachleute aus de, Qualitätsmanagement von Eisherstellern testen 219 Sorten Eis auf Geschmack, Aussehen und Cremigkeit. Um parteiische Beurteilungen zu vermeiden, bleiben sowohl Eissorten als auch Prüfer anonym.

„Eistester“ – das klingt nach einem Traumjob, ist aber harte Arbeit. Spätestens wenn nach 20 bis 25 Proben die Geschmacksnerven nachlassen, ist eine Pause unumgänglich. Um Geschmacksrückstände im Mund nicht zu vermischen, wird außerdem nach jedem Test ein Stückchen Toast mit Wasser verzehrt. Erfahrene Eisesser können Abweichungen von zwei bis drei Grad von der idealen Eistemperatur – 18 Grad Celsius – erschmecken, die Ansprüche an das Testobjekt sind hoch. Mit 790 Millionen Euro Umsatz im Jahr ist die deutsche Eisbranche in Europa marktführend. Dementsprechend stark ist aber auch der Konkurrenzdruck.

„Das Eis muss nicht mir schmecken, sondern die Kriterien erfüllen“, erklärt eine Testerin und reinigt ihr Besteck. Sonst mag sie am liebsten Karamelleis, heute ist aber klassisches Schokoladeneis an der Reihe. Stunde um Stunde, Portion für Portion.

Die frühen Morgenstunden werden für „schwere“ Eissorten mit höherem Fettgehalt genutzt. Wenn die Tester spätestens ab Mittag ausgelaugt und erschöpft sind, kommen die „leichteren“ Sorten dran: Erdbeer, Maracuja, Zitrone. Erfahrungsgemäß schmeckt so auch der Sommer: Während sich „warme“ Sorten wie Eierlikör oder Walnuss im Winter großer Beliebtheit erfreuen, werden in den heißen Monaten Fruchtsorten bevorzugt.

Laut Expertenmeinung geht der Trend in diesem Jahr zu kalorienreduziertem Eis – im Hinblick auf den Body Mass Index der meisten Tester möchte man dies nicht glauben. Eher passt hier die weitere neue Vorliebe der Käufer: Kombipackungen. Ein bisschen Schokolade, ein bisschen Himbeer-Banane und am besten alles noch mit Krokant und Pistazien garniert. Weniger ist absolut nicht mehr.

Einige der Eistester sind seit Jahrzehnten in der Eisbranche tätig. „Wenn ich in den Urlaub fahre, kriege ich nach spätestens zwei Tagen Hunger auf Eis. Ohne Eis fehlt in meinem Leben etwas, schließlich esse ich zu Hause auch jeden Tag Eis“, erzählt ein Prüfer. Da der wachsame Eistestergaumen nie schläft, sind Urlaube ohnehin ein idealer Zeitpunkt, um neue Ideen zu sammeln. „Gerade in Südeuropa sind die Eiscafés experimentierfreudiger als in Deutschland.“ In der Tat sind außergewöhnliche Zubereitungsarten von Eis hierzulande eher die Ausnahme. So wird die klassische beige-braun-rosafarbene Fürst-Pückler-Trikolore noch immer dem halb gefrorenen Fruchteissorbet oder der sizilianischen Eistorte Cassata vorgezogen. Das Beste, was der Eisprüfer von seinen Reisen bisher mitgebracht hat, war Erdbeereis mit Pfeffer. Sein ekelhaftester Fehltritt: Paprikaeis.

Hat sich eine Geschmacksrichtung auf dem deutschen Markt erst mal eingenistet, ist sie so schnell nicht wieder wegzudenken. Bestes Beispiel: Das Schlumpfeis. Dieses grellblaue Nichts ist hauptsächlich bei Kindern ein Renner. Die Hersteller verwenden unterschiedliche Rezepturen, gemeinsam haben sie aber, dass Schlumpfeis größtenteils aus Farbstoff besteht – für die Eisgourmets eine blaue Beleidigung ihrer Zunft.

Geschmäcker sind aber auch kulturell verschieden. Als Gast nimmt ein französischer Eisexperte an dem sterilen Gelage teil. Er erklärt, dass in Frankreich eher stark aromatisiertes Eis bevorzugt wird. Skandinavier hingegen mögen es lieber süß. Auch am Fettgehalt scheiden sich die Geister: Italienisches Speiseeis enthält durchschnittlich zwei Prozent weniger Fett als deutsches, das im Durchschnitt zehn Prozent Fett enthält. Zum Vergleich: Kalorienreduziertes Eis hat einen Fettanteil von mindestens drei Prozent. Ein noch niedrigerer Fettgehalt würde die Konsistenz gefährden. Geschmacklich hinkt es den fettigeren Ausführungen ohnehin hinterher.

Wie sieht ein ideales Eis also nach Meinung der Experten aus? „Es darf weder zu cremig sein, noch zu hart. Eventueller Schokoladenüberzug darf keine Löcher enthalten, durch die das Eis austreten kann. Und es muss geschmackvoll sein, ohne künstlich zu schmecken.“