Neue Transparenz am alten Markt

Die Markthalle am Marheinekeplatz ist eine Kreuzberger Institution. Die geplante Modernisierung weckt Ängste bei Händlern und Anwohnern. Gleich 500 kommen zur Kiezversammlung. Betreiber verspricht, Händler am Sanierungskonzept zu beteiligen

VON UWE RADA

Gleich am Anfang der Versammlung stand eine faustdicke Überraschung. „Ich muss zugeben“, sagte der Geschäftsführer der Berliner Großmarkt GmbH (BGM), Andreas Foidl, „dass ich die Betroffenheit in Sachen Marheinekehalle unterschätzt habe.“ Die mehr als 500 Anwohner, die am Dienstagabend zur Kiezversammlung über die Zukunft der traditionsreichen Markthalle am Kreuzberger Marheinekeplatz in die Passionskirche gekommen waren, quittierten das Eingeständnis mit spontanem Beifall. Keine schlechten Voraussetzungen, um über die anstehende Sanierung der Halle ins Gespräch zu kommen.

Und noch eine Vorleistung erbrachte der Geschäftsführer der landeseigenen Betreibergesellschaft. „Weder kommt in die Marheinekehalle ein Discounter, noch wird sie zu einer Go-Cart-Bahn oder zu einem Spaßbad umfunktioniert“, sagte Foidl. Stattdessen gehe es um ein Konzept für die Sanierung und Modernisierung der heruntergekommenen Markthalle.

Genau darum dreht sich der Streit. Soll die Halle für ein knappes Jahr geschlossen werden und „in einem Rutsch“ saniert werden? Oder soll die Sanierung peu à peu erfolgen und den Händlern die Möglichkeit bieten, während der Bauarbeiten weiter zu verkaufen? „Entschieden ist da noch nichts“, sagte Foidl.

Dass die Marheinekehalle sanierungsbedürftig ist, wollte auch Christoph Schulz vom Mieterrat Chamissoplatz nicht in Abrede stellen. Und auch nicht, dass das Einkaufen in der Halle inzwischen alles andere ist als ein Erlebnis ist. „Mittlerweile beträgt der Leerstand 21,5 Prozent der Verkaufsfläche“, sagte Schulz, dessen Verein zu der Versammlung eingeladen hatte.

Für die Händler stehen die Schuldigen für den Leerstand indes fest. „Verträge mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten geben nicht gerade Sicherheit“, sagte einer von ihnen in Richtung von BGM-Chef Foidl. Der verteidigte sich: „Das ist hier kein üblicher Einzelhandel, wo es längere Laufzeiten gibt.“ Auch auf die Forderung, dass alle 44 noch in der Halle tätigen Händler nach der Sanierung zurückkehren können, wollte sich Foidl nicht einlassen. „Wir bemühen uns aber“, versprach er.

Einige Anwohner machen aber auch das schmuddelige Ambiente der Halle verantwortlich für das Ausbleiben der Kundschaft und den Leerstand. „Hier ist es unattraktiv muffig und dunkel“, sagte eine junge Frau. „Die Leute wollen Luft und Licht.“ Das stieß nicht auf die ungeteilte Begeisterung der 500 Anrainer. „Wir wollen hier nicht noch eine Yuppie-Meile“, betonte einer.

So ist der Streit um die Markthalle in Kreuzberg auch ein Streit über die richtige „Mischung“ im Angebot. Zumindest eines ist inzwischen gesichert. Die Betreibergesellschaft beteiligt die verbliebenen Händler an der Ausarbeitung des Sanierungskonzeptes. Das versicherte BGM-Geschäftsführer Foidl dem Händlervertreter Klaus Müller. „Wir haben nichts zu verbergen und wollen unser Konzept transparent machen“, so Foidl.

Das freute denn auch die beiden Vertreter des Bezirksamts bei der Versammlung in der Passionskirche, Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) und Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei). „Die Halle ist schließlich nicht nur als Einkaufsort wichtig, sondern auch als Kommunikationsort“, betonte Reinauer und machte noch einen Vorschlag zur temporären Beseitigung des Leerstands: „Warum stellt man die leeren Stände nicht Künstlern aus Kreuzberg zur Verfügung?“ Das Publikum freute sich, und auch Andreas Foidl nickte zustimmend. Bis Juni soll das Sanierungskonzept stehen. Mal sehen, ob die neue Friedfertigkeit dann noch hält.