„Es geht um die Verwaltung der Kinder, nicht um Bildung“

SERIE „NRW ENTSCHEIDET“ ErzieherInnen sind gestresst und häufig krank, sagt Kita-Chefin Kathrin Giesbert

Die 48-Jährige arbeitet seit 28 Jahren in Nordrhein-Westfalen als Erzieherin und leitet eine Kita in Dortmund. Bei Ver.di ist sie Sprecherin für eine Fachkommission.

taz: Frau Giesbert, im bundesweiten Vergleich ist Nordrhein-Westfalen bei Betreuungsangeboten für Kleinkinder das Schlusslicht. Wie sieht es aus der Innenperspektive aus?

Kathrin Giesbert: Seit das Kinderbildungsgesetz – kurz: KiBiZ – der schwarz-gelben Regierung vor eineinhalb Jahren in Kraft getreten ist, ist das pädagogische Personal gestresster und häufiger krank. Sie erfahren nur noch kurzfristig, wo sie das nächste Jahr arbeiten werden, und bekommen nur befristete Verträge. In den Einrichtungen sind die Gruppen meistens zu groß und nicht altersgerecht ausgestattet: Obwohl wir mehr Kinder unter drei Jahren haben, gibt es beispielsweise nicht genügend Wickeltische – versuchen Sie mal regelmäßig, ein Dutzend Kinder mitten in der Gruppe auf dem Boden zu wickeln.

Laut Familienminister Armin Laschet (CDU) wird viel mehr Geld ausgegeben. Die Zahl der Betreuungsplätze für Kleinkinder habe sich verachtfacht.

Natürlich wird viel mehr Geld ausgegeben: Mehr Kinder kosten eben mehr Geld. Viele Betreuungsplätze sind bei Tagesmüttern entstanden, die nur eine geringe Aufwandsentschädigung bekommen und davon Materialkosten bezahlen müssen. In der Regel haben sie keine Sozial- oder Krankenversicherung. Herrn Laschet geht es nur um die Verwaltung der Kinder und nicht um Erziehung und Bildung.

Laschet sagt, dass er aus einem schlechten Erbe der Vorgängerregierung das Beste macht.

Vor dem KiBiZ wurde das pädagogische Personal direkt bezahlt, jetzt gibt es eine Pauschale pro Kind. Nachdem wir Energiekosten, Miete und Material bezahlt haben, bleibt häufig nur noch genug Geld für junge Erzieherinnen, die weniger kosten. Früher hingegen konnten wir erfahrene, besser bezahlte Kräfte finanzieren. Die Änderungen, die es jetzt gibt, hätte es mit dem alten Gesetz auch geben können – es wäre teurer geworden, aber alle wären zufriedener.

Wird sich nach der Wahl etwas ändern?

■ Die Wahl: Die Landtagswahl im einwohnerstärksten Bundesland am 9. Mai gilt als Test für die Bundestagswahl. In der taz-Serie reden Experten über die Themen.

■ Der Zwischenstand: Alles ist offen: CDU 38 Prozent, SPD 33, FDP 8, Grüne 11, Linke 6 (Emnid, 2.5.).

■ Der taz-NRW-Blog: blogs.taz.de/nrw-entscheidet

Laschet traue ich das nicht zu, aber die Parteien jenseits der CDU teilen unsere Meinung. Derzeit wurschteln wir uns so durch. Die Realität in Zeiten des KiBiZ zeigt bereits, dass es schwerer wird, unter diesen Bedingungen gute ErzieherInnen zu finden. Irgendwann gibt es gar keine mehr.

INTERVIEW: LALON SANDER