ANJA MAIER ÜBER DIE SONDIERUNGSGESPRÄCHE UNION/SPD
: Neue Härte

Es wächst nicht zusammen, was zusammengehört. Es rauft sich zusammen, was regieren muss

Nein, das sieht nicht gut aus, was SPD und Union hier abgeliefert haben. Nach einem schier endlosen Sondierungsgespräch in der Nacht zu Dienstag ist man sich kaum näher gekommen. Es hat gekracht und wurde auch schon mal laut. Und am Ende sagten beide Seiten so was wie: „Das wird wohl eher nichts mit uns.“ Wird es aber eben gerade deshalb.

Denn genau diese neue Härte im Verhältnis der beiden politischen Koalitionäre in spe ist das richtige Signal, das von dem zweiten Sondierungsgespräch ausgeht. Und zwar sowohl an die jeweiligen Parteimitglieder als auch an die Wählerinnen und Wähler. Hier wächst nicht zusammen, was zusammengehört. Hier rauft sich zusammen, was regieren muss. Und hier wird sich nicht mehr taktisch geziert, sondern es wird selbstbewusst inhaltlich argumentiert.

Ob beim Thema Staatsbürgerrecht oder der Pflege, bei der Bildung oder der Energiewende – so weit, wie Union und SPD das vorgeben, sind sie ja gar nicht mehr voneinander entfernt. Eine Erkenntnis, die manchem Unions-Unterhändler schmerzlich vor Augen führen dürfte, dass seine christliche Union unter Angela Merkel doch verdammt weit nach links gerutscht ist. Sich dann trotz Konsens öffentlich voneinander abgrenzen zu müssen, sorgt schon mal für Gereiztheit auf beiden Seiten. Aber dieser Streit sorgt letztlich für Klarheit.

Gut möglich, dass nach diesen harten inhaltlichen Auseinandersetzungen am Ende von Koalitionsverhandlungen mal keine Formelkompromisse stehen: ein bisschen von diesem und ein bisschen von jenem. Denn windelweiche Verabredungen und Absichtserklärungen taugen nicht im globalisierten 21. Jahrhundert. Besser wären allemal harte, gemeinsame Politikziele, an denen sich beide Seiten messen lassen können. Und zwar sowohl bevor sie gemeinsam regieren als auch danach, wenn wieder Wahlen anstehen.

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