Phantom hat Gesicht

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Eigentlich ist es nicht sein Stil, sich erkennen zu geben. Doch diesmal machte der Al-Qaida-Chef im Irak, Mussab al-Sarkawi, eine Ausnahme. In einem im Internet veröffentlichten Video, das auch in Auszügen von der arabischen Fernsehstation al-Dschasira ausgestrahlt wurde, zeigt sich al-Sarkawi beim Kampftraining, zusammen mit mehreren, allerdings maskierten Gefolgsleuten und kündigte weitere Anschläge an. Dem Westen und den USA warf er darin vor, einen Kreuzzug gegen den Islam zu führen. Viel Aufmerksamkeit schenkte al-Sarkawi dem neuen irakischen Premier Dschawad al-Malki, der erst vor wenigen Tagen mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Jede irakische Regierung sei nur ein Handlanger der USA, ein „vergifteter Dolch“ und müsse daher bekämpft werden, erklärte al-Sarkawi.

Den US-Truppen im Irak prophezeite er eine Niederlage, da deren Moral zu niedrig sei. „Warum sagt die US-Regierung den Menschen nicht, dass ihre Soldaten Selbstmord begehen, Drogen und Schlaftabletten nehmen?“, fragte er. Es werde alles noch schlimmer kommen, kündigte er an. „Eure Träume werden von unserem Blut und unseren Leichen zunichte gemacht.“ Außerdem huldigte er Ussama Bin Laden als „Emir der Bewegung“.

Die Frage, warum al-Sarkawi so unverhüllt an die Öffentlichkeit ging, beschäftigt nun arabische Kommentatoren und Politiker. Scheich Khalid al-Attiyah, Vizepräsident des irakischen Parlaments, warf al-Sarkawi vor, einen Bürgerkrieg anzetteln zu wollen. Der neueste Auftritt zeige aber auch, „dass al-Sarkawi die neue Regierung des Irak fürchtet, die Schiiten, Sunniten und Kurden vereinigen wird“, fügte er hinzu. Dia Raschwan, Experte für militanten Islam aus Ägypten, beschrieb das Video nach dessen Ausstrahlung in al-Dschasira in einem ersten Kommentar als „unprofessionell“. Al-Sarkawi habe sich vor der Kamera ebenso unsicher verhalten wie Bin Laden vor zehn Jahren“, sagte er. Trotzdem habe al-Sarkawi die Entscheidung getroffen, weil er fürchte, dass der politische Prozess an Fahrt gewinnen könnte, wenn sich die Sunniten weiter daran beteiligen“, analysiert der Terrorexperte. Außerdem wolle al-Sarkawi alle Gerüchte über seinen Gesundheitszustand oder möglichen Tod zerstreuen. Al-Sarkawi hielt sich auffällig zurück, andere irakischen Rebellen-Gruppen im Irak zu kritisieren, die ihn in den letzten Monaten immer wieder wegen dessen Anschlägen auf irakische Zivilisten verbal angegriffen hatten. „Offensichtlich hofft er immer noch, mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, glaubt Raschwan.

Bemerkenswert ist auch, dass al-Sarkawi immer wieder den vor vier Monaten gegründeten „Rat der Mudschaheddin“ erwähnt, der als eine Art Schirmorganisation für alle Aufständischen islamischer Couleur gilt. „Die Rat zeigt, dass die Anschläge von islamistischer Seite nicht von al-Qaida monopolisiert sind“, meint der ägyptische Fachmann. Er erwartet in jedem Fall nach der Videobotschaft „verstärkte Aktivitäten der militanten Islamisten im Irak“. Auch Abdel Bari Atwan, Chefredakteur der arabischen Tageszeitung Al Quds Al Arabi glaubt, dass al-Sarkawi an die Öffentlichkeit gegangen ist, weil er fürchtet, marginalisiert zu werden, zumal Washington derzeit mit Sunniten und Schiiten Gespräche führt und seine Prioritäten im Irak neu ordnet, indem es die Sunniten nun mit einschließen will.