Musik, nur wenn sie laut ist

NOISE ROCK Wer Krach braucht, ist bei der New Yorker Band A Place to Bury Strangers genau richtig. Am Montag trat sie im Magnet Club auf

Ein röhrendes Monster aus dem Weltall. Eine Gitarre, so laut wie ein Jumbojet

Es gibt sie tatsächlich: Stein gewordene Zeitmaschinen. Eine solche steht in unmittelbarer Nähe der Oberbaumbrücke und heißt Magnet Club. Dieser Konzertveranstaltungsort ist allerdings noch nicht lang am Platze – er ist erst vor kurzem vor Anwohnerklagen wegen Lärmschutz und der allgemeinen Gentrifizierung aus dem Prenzlauer Berg hierher geflüchtet, und zwar in genau die Räumlichkeiten, in denen zuerst das 103, dann der Dot Club es nicht geschafft haben, die Zeit zu überdauern.

Der alte Magnet Club an der Greifswalder Straße hatte das Problem, ein Schlauch mit schlechter Baustruktur zu sein. Auch diesmal hat es der Laden geschafft, einen Sicht versperrenden Stützpfeiler in seiner Mitte zu haben. Auch der Barbetrieb schien nicht wirklich zu laufen: Zwei überforderte Blumengießerinnen waren damit beschäftigt, Bier aus Flaschen in umweltschädliche Plastikbecher umzufüllen. Klar, dass es da zu langen Wartezeiten kam.

Ansonsten herrschte eine Atmosphäre, die an die seligen Achtzigerjahre erinnerte. Was nicht nur an der eher tragischen Vorband lag, die versuchte, Krach mit Robert Smith zu vermählen. Oder an den mehrheitlich schwarz gekleideten Menschen, die an diesem Montagabend das Publikum stellten: interessanterweise eine Mischung aus sehr jungen Frauen und älteren Männern, die sich nur zu gut an ebendiese Zeit erinnern. An die Zeit, als Düsterkeit noch cool war. Und jetzt ist sie es wieder, zumindest teilweise.

Es lag aber besonders an der Band des Abends, A Place to Bury Strangers aus New York. Eine Band gewordene Zeitmaschine, die genauso gut aus Irland oder Schottland und aus dem Jahr 1986 stammen könnte – die Vorbilder wurden jedenfalls rasch klar. Spacemen 3, die frühen My Bloody Valentine und The Jesus & Mary Chain. Eine Menge Krach stand also zu erwarten.

Und der Krach kam auch. Oliver Ackermann hatte seine Gitarre schnell auf Betriebstemperatur. Sein Verstärker sah aus wie eine Gerätschaft aus Sci-Fi-Filmen in Schwarz-Weiß, seine Gitarre klang wie in einem leeren, unterirdischen Parkhaus gespielt. Ein röhrendes Monster aus dem Weltall. Eine Gitarre, so laut wie ein Jumbojet! Dagegen nahm sich Jason Weilmeisters Schlagzeug wie eine kleine Blechkiste aus. Dion Lunadon versuchte am Bass mitzuhalten, muss aber hauptsächlich für seine akustischen Navigationsfähigkeiten gelobt werden – die Band lotete Effekte aus, Lautstärken, Lärmpegel, und mittendrin wurden fragile Songstrukturen erkennbar.

Die Neuerfindung ihres Genres, das man Shoegazer oder Noise Rock nennen kann, gelingt dem Trio nicht; den Weg in den Dance, den The Jesus & Mary Chain und My Bloody Valentine versucht haben und der von Seefeel in Richtung Ambient weitergedacht wurde, damals in den frühen Neunzigern, betreten A Place to Bury Strangers in keiner Weise. Dafür beherrschen sie die Kunst der Variation und der geschmackssicheren Anleihe.

Die Magie des Feedbacks, die Sturheit einer Coolness, die einen verzagten, aber entscheidenden Schritt neben der Pose lag, jedenfalls wirkten. Psychohygiene durch Lärm für das von der Geschwindigkeit der Zeit verdrossene Volk, seinerseits gut sozialisiert durch die richtigen Platten, die schon immer auf Lärm setzten, wenn sie Widerstand und Tristesse zusammen dachten. Krach mit Geschichte. A Place To Bury Strangers haben zwei Alben draußen, zuletzt erschien „Exploding Head“, die Wirkung des Neuen erzielen beide Platten natürlich nicht. Aber die Band bietet gute Substitution für die, die Lärm brauchen. Die anderen sollen halt klagen.

RENÉ HAMANN