Zum Tanzen nach Berlin

Lily Sommerfeld geht es wie Millionen anderen Menschen. „I wanna dance in Berlin“ singt sie und ist sich damit einig mit Horden von Easy-Jetsettern. Allerdings will die deutsch-israelische Sängerin auch in New York nachts U-Bahn fahren, shoppen in Paris, in London die Queen treffen, in Tel Aviv die Kabbala lesen und Erinnerungsfotos in Rom schießen. „Dance in Berlin“ eröffnet nicht nur „Soul.Electrified.“, das gemeinsame Album von Sommerfeld und Florian Scheffler, der sich als Produzent DDIY nennt, sondern dient sich dem weltweit grassierenden Mythos von der niemals schlafenden Feiermetropole Berlin als Hymne an. Eine Hymne mit knalligen HipHop-Beats, satten Bläsern, schmuckem Synthie-Gebimmel und nicht zuletzt der Soulstimme von Sommerfeld.

Sommerfeld, die außerdem noch allein am Klavier auftritt und den Popchor Klangwerk 306 leitet, hat im Verlauf des Albums alle Möglichkeiten, ihr erstaunliches Stimmspektrum auszuloten. Mal klingt sie emotional wie Aretha Franklin, dann wieder unterkühlt wie Anne Clark. Scheffler hat dazu Tracks programmiert, für die er sich mal bei Chris Isaaks „Wicked Game“ bedient oder beim jamaikanischen Dub abgrundtiefe Bässe klaut. Vor allem aber fügt er dem momentan so modischen Neo-Soul-Entwurf mit kräftigen Elektro-Beats eine interessante Härte hinzu. Das Ergebnis dürfte den einen oder anderen Berlinbesucher zum Tanzen bringen.

Alexa Rodrian kam – nach den Stationen Rom, Paris, New York und München – nicht zum Tanzen nach Berlin. Sondern, sagt sie, um Türkisch zu lernen. Auch ihr Song „Ghetto Swingers“ kommt ganz schön rum: Die größte deutsche Fluggesellschaft, wird anlässlich ihres neuen Albums „Mothersday“ vermeldet, hat das Lied in die Board-Compilation aufgenommen.

Nun kann man sicher darüber streiten, ob das ein Qualitätsmerkmal ist. Tatsächlich ist „Ghetto Singers“ zwar inspiriert vom Schicksal des legendären Jazz-Gitarristen Coco Schumann, der auf dem Album als Gast mitspielt, aber nicht unbedingt der beste Song von „Mothersday“. Ansonsten setzen Vokalakrobatin Rodrian und ihre Mitmusiker ihre Idee von einem Vocal-Jazz, der keine Angst vor Elektronik hat, sehr viel konsequenter um. Mit Schlagzeuger Marco Bruckdorfer, der sich nicht nur „bagbeater“ nennt, sondern auch auf Koffern trommelt, wird der Jazz-Elfenbeinturm erfolgreich geschleift. THOMAS WINKLER

■ DDIY feat. Lily Sommerfeld: „Soul.Electrified.“ (ROOF Music), live am 18. 10. im FluxBau

■ Alexa Rodrian: „Mothersday“ (Yellowbird/Soulfood), live am 23. 10. in der Volksbühne