Jukebox

Musik zum Immer-wieder-Hören und -Kaufen

Es gibt Platten, die muss man sich dann halt einfach noch mal kaufen. Obwohl man sie schon tausendmal gehört hat, eh schon in Vinyl hat und der alte Technics-Plattenspieler noch voll funktionstüchtig ist. Aber, zugegeben, man selbst ist immer viel zu faul, ihn freizuräumen von den deutschen HipHop-CDs, die sich auf dem armen Gerät stapeln. Also gönnt man sich was, weil man’s ja sonst nicht tut, und erwirbt lieber noch ein zweites Mal „You’re Living All Over Me“ von Dinosaur jr., eine von diesen vor ein paar Monaten erschienen Re-Issues. Und tatsächlich: Als erstes Stück quillt – das kann man wirklich nicht anders bezeichnen – quillt also „Little Fury Things“ genauso mächtig und gewaltig aus den Lautsprechern wie damals. Und genau in diesem einen Moment, in dem die anfängliche Atonalhölle sich wie selbstverständlich in einen relativ liebreizenden Folkrocksong verwandelt, da möchte man höchstselbst auf eine Bühne springen. Oder zumindest vor einen Spiegel, Federballschläger unterm Arm, den Gitarrenhelden markieren. Aber weil man schon immer zu behäbig war zum Üben und mittlerweile ja nicht größenwahnsinnig und stattdessen endgültig zum Realisten geworden ist, belässt man die vollgestaubte Badminton-Ausrüstung im Schrank und sich selbst auf der Couch. Dort stellt man dann fest, dass Dinosaur jr. womöglich die einzige Band der Welt war und sein wird, die es jemals geschafft hat, Musik zu spielen, die so zeitlos ist wie für alle Alterschichten geeignet, weil sie einen einerseits zum Headbangen bringen und auch gemütlich wegnicken lassen kann. Da fällt mir ein, dass das unlängst jemand auch von Throbbing Gristle behauptete, aber dazu muss man dann doch ganz speziell gestrickt sein. Nein, nein, die Meisterschaft, einen Song exakt zwischen Schlaflied und Lärmkatharsis zu positionieren, die erwarben J. Mascis und seine Büttel Lou Barlow am Bass und Schlagzeuger Murph exakt 1987 mit „You’re Living All Over Me“. Alles, was danach kam, auch das im Jahr darauf folgende, wundervolle Album „Bug“, verfeinerte schlussendlich nur diesen Ansatz. Da kann man sogar verzeihen, dass sie sich ergraut letzten Sommer noch einmal zusammengetan haben, um verständlicherweise noch ein paar Scheine aufs Altenteil zu schaffen. Manche Musik kann eben nichts kaputtkriegen. Manche Musik kann man gar nicht oft genug besitzen.

THOMAS WINKLER