Wirtschaft rückt von Blockade ab

USA Noch zwölf Stunden vor Ablauf der Frist war in Washington keine Einigung in Sicht. Das ärgert inzwischen sogar rechte Unternehmer

Selbst die Koch- Brüder, Finanziers der Tea Party, wollen zahlungsfähige USA

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Am 16. Tag der partiellen Stilllegung der US-Regierung und wenige Stunden bevor die zweite entscheidende Deadline abläuft, balanciert Washington scharf am Abgrund der finanziellen Handlungsunfähigkeit. Ratingagenturen drohen, die Kreditwürdigkeit des Landes herabzustufen. Fitch Ratings setzt die US-Regierung – und mit ihr die internationale Leitwährung – auf die „Negativ-Beobachtungsliste“. Und in China, dem größten Kreditgeber der USA, ruft die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua nach einer „deamerikanisierten Welt“.

Doch der US-Kongress hat am Mittwochmittag immer noch keinen Plan angenommen, der das Schuldendach erhöht und es damit der US-Regierung ermöglicht, weiterhin an die Finanzmärkte zu gehen. Ohne eine solche Entscheidung kann die US-Regierung ab Mitternacht, in der Nacht zu Donnerstag, keine Kredite mehr aufnehmen. In der Folge kann sie nur noch einen Teil ihrer eigenen Verpflichtungen erfüllen und muss die Zahlung von Löhnen, Sozialleistungen und Schuldenleistungen einstellen. In 237 Jahren US-Geschichte ist dergleichen nicht vorgekommen – weder während des Bürgerkriegs noch während der Weltkriege noch während der Großen Depression.

Der republikanische Chef des Repräsentantenhauses, John Boehner, bei dem alle Fäden zusammenlaufen, hat am Dienstag erneut eine Einigung platzen lassen. Nach einer Sitzung hinter verschlossenen Türen, bei dem die radikal rechten Tea-Party-Mitglieder seiner Fraktion an ihren fundamentalistischen Forderungen festhielten, lehnte er einen Haushaltsplan und einen Vorschlag zur Inbetriebnahme des Staates ab, den Mitglieder beider Parteien im Senat entwickelt hatten. „Wir haben viele verschiedene Meinungen“, sagt Boehner nach seiner Fraktionssitzung, „aber wir werden versuchen, die Zahlungsunfähigkeit der USA zu vermeiden.“

Unterdessen haben einige der wichtigsten Geldgeber, die zu Anfang von Barack Obamas Amtszeit die Tea Party aufgebaut haben und die seit Ende vergangenen Jahres im Hintergrund die Fäden für einen „Shutdown“ der US-Regierung gezogen haben, das sinkende Schiff verlassen. Landesweit fordern Handelskammern den Kongress zu einer „Lösung“ auf. Auch von der Wall Street kommt derselbe Ruf.

Am schwerwiegendsten für die Republikanische Partei sind die Gebrüder Koch. Philip Ellender, ein Sprecher des Ölkonzerns Koch Industries, ist schriftlich auf Distanz zu dem Kollisionskurs der Republikaner gegangen. In einem Schreiben an den Senat erklärt er, dass „Obamacare“ zwar ein Fehler sei. Aber er behauptet, Koch habe „keine Position zu der legislativen Taktik bezogen, Obamacare finanziell auszuhölen“. Die Milliardärsbrüder und Unternehmenseigner David und Charles Koch – die laut Bloomberg Index sechst- und siebtreichsten Männer der Welt – haben in den vergangenen Jahren zweistellige Millionensummen in radikal rechte Thinktanks und Stiftungen gepumpt und die Wahlkämpfe von Tea-Party-Kandidaten finanziert – darunter auch den des neuen radikal rechten Senators Ted Cruz. Und sie haben Anzeigenkampagnen in den Wahlkreisen „moderater“ Republikaner bezahlt, die keine Verknüpfung von Haushalt und Schuldendach mit dem Kampf gegen die Gesundheitsreform wollten. Mit Koch-Geldern ausgestattete rechte Gruppen waren auch die ersten, die schon zu Jahresanfang über einen „Shutdown“ diskutiert haben.

Kurz vor der Zahlungsunfähigkeit der USA versuchen die Koch-Brüder nun, die Geister, die sie geweckt haben, wieder unter Kontrolle zu bringen.