Reform in Bosnien scheitert knapp

Parlament in Sarajevo lehnt Verfassungsänderungen ab. EU-Perspektive verzögert sich

SARAJEVO taz ■ Das bosnische Parlament hat eine Verfassungsreform zur Stärkung der Zentralregierung in Sarajevo abgelehnt. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Änderungen kam nicht zu Stande. Einige Abgeordnete hatten im Verlauf der Debatte ihre Meinung geändert.

Mit den Verfassungsänderungen sollte die Nachkriegszeit in Bosnien und Herzegowina abgeschlossen und der Weg zu einer Integration in die EU eröffnet werden. Entsprechend enttäuscht zeigten sich die Befürworter. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Christian Schwarz-Schilling, sprach von einem schlechten Tag für Bosnien.

Bisher ist die Verfassung über den Annex 7 des Friedensvertrages von Dayton (1995) definiert, der das von Muslimen, Kroaten und Serben bewohnte Land in ethnisch definierte „Entitäten“ teilt, die Republika Srpska und die bosniakisch-kroatische Föderation. Die Föderation zerfällt zusätzlich in 10 Kantone. Über allem steht ein schwach gehaltener Zentralstaat mit einem Parlament, einer Völkerkammer und einem dreiköpfigen Staatspräsidium. Die im letzten Jahr eröffnete Verfassungsdebatte hatte zum Ziel, den Zentralstaat zu stärken.

Nach dem im Parlament vorgelegten Entwurf sollten die Entitäten weiterbestehen, aber Macht abgeben. In Zukunft sollte es nur einen vom Parlament gewählten Präsidenten mit zwei Stellvertretern aus den unterschiedlichen Volksgruppen geben. Außerdem sollte das Amt eines Premierministers geschaffen werden. Der einflussreichen Völkerkammer sollten Kompetenzen entzogen werden.

Die große Koalition von 7 Parteien, darunter die Sozialdemokraten, die serbischen Liberalen und die drei Nationalparteien der Volksgruppen, konnte nicht genügend Stimmen für die Verfassungsreform mobilisieren. Den Ausschlag für das Scheitern gab der ehemalige Premierminister und einflussreiche Muslimpolitiker Haris Silajdžić. Ihm gingen die Veränderungen nicht weit genug. Schon seit Monaten hatte er mit seiner „Partei für Bosnien und Herzegowina“ die sofortige Auflösung der Entitäten gefordert. Zusammen mit Kleinparteien und der kürzlich gegründeten kroatischen „HDZ 1990“ bildete er die Ablehnungsfront. Die Vertreter der internationalen Gemeinschaft sind nun etwas ratlos. Bosnien brauche Zeit, um die notwendigen Reformen doch noch zu beschließen, hieß es in Stellungnahmen des Büros des Hohen Repräsentanten und aus diplomatischen Kreisen. ERICH RATHFELDER