Schlag gegen Kritiker in Minsk

Zwei Wochen Haft für Weißrusslands Oppositionschef Alexander Milinkewitsch und drei weitere Oppositionelle. Begründung: Teilnahme an nicht genehmigter Kundgebung

BERLIN taz ■ In Weißrussland geht die Verhaftungswelle von Oppositionellen mit unverminderter Härte weiter: Gestern wurde der Chef der Opposition, Alexander Milinkewitsch, festgenommen und in einem Schnellverfahren zu 15 Tagen Haft verurteilt. Milinkewitsch, der bei den so genannten Präsidentenwahlen am 19. März dem autoritären Amtsinhaber Alexander Lukaschenko deutlich unterlegen war, habe am Vortag an einer nicht genehmigten Kundgebung teilgenommen, sagte das Gericht zur Begründung.

Besagte Kundgebung, die jetzt den Behörden als Vorwand dient, um erneut Kritiker aus dem Verkehr zu ziehen, hatte am Mittwochabend in Minsk stattgefunden. Aus Anlass des Jahrestags des Atomunfalls im Kraftwerk Tschernobyl hatten sich mehrere tausend Menschen zu einem genehmigten Gedenkmarsch in der weißrussischen Hauptstadt versammelt. Unter Rufen wie „Schande, Schande“, „Freiheit“! und „Es lebe Weißrussland!“ sowie mit Spruchbändern mit der Aufschrift „Lukaschenko und die Radioaktivität sind die Mörder unserer Nation!“ war die Menge von der Weißrussischen Akademie der Wissenschaften zu einem Park im Norden von Minsk gezogen – begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot .

Bei seinem Auftritt bezeichnete Milinkewitsch die Wahlen vom 19. März als Farce und verlangte eine Wiederholung. Sollte es nicht dazu kommen, würden er und seine Mitstreiter ein Amtsenthebungsverfahren anstreben. Die Opposition werde Flugblätter verteilen, das Internet nutzen und nicht aufgeben, bis der Präsident gestürzt sei, sagte Milinkewitsch und kündigte für den 1. Mai einen weiteren Protestmarsch an.

Milinkewitsch ist nicht der einzige Oppositionspolitiker, der in Zusammenhang mit der Tschernobyl-Kundgebung verhaftet und verurteilt wurde. Bereits am Mittwoch waren die Chefs der Weißrussischen Vereinigten Bürgerpartei (BGP) und der Weißrussischen Volksfront (BNF), Anatoli Lebedko und Winzuk Wjatschorka sowie die Vorsitzenden der Kommunistischen Partei und der Arbeitspartei, Sergei Kaljakin und Alexander Buchvostau, festgenommen worden. Während Lebedko nach einigen Stunden und Schlägen in Polizeigewahrsam wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, müssen Wjatschorka, Buchwostau und Kaljakin ebenfalls wegen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Kundgebung eine 15- beziehungsweise 14-tägige Haftstrafe absitzen.

Doch ob diese Strafen, die für weißrussische Verhältnisse als milde bezeichnet werden müssen, die Oppositionsanhänger abschrecken werden, ist fraglich. „Ein Großteil der Leute, die am Mittwoch demonstriert haben, sind auch schon bei den Protesten nach den Wahlen dabei gewesen. Da bildet sich langsam ein harter Kern heraus“, sagt ein Minsker Journalist. Besonders im Vorgehen des Regimes gegen Alexander Milinkewitsch sieht er den Versuch, den Oppositionschef dazu zu bringen, Weißrussland zu verlassen.

Für den früheren Leiter der OSZE-Mission in Minsk, Hans-Georg Wieck, ist die jüngste Repressionswelle gegen die Opposition ein Zeichen der Nervosität des Regimes angesichts wachsender innerer Spannungen. Und: „Sie ist ein weiterer Schlag ins Gesicht derer, die immer noch hoffen, Lukaschenko würde auf den Weg zur Demokratie zurückkehren.“BARBARA OERTEL