FÜR DIE PLAZA VOR DER HAMBURGER ELBPHILHARMONIE SOLL ES TICKETS GEBEN. ANDERE SCHLAFEN AUF KIRCHENBÖDEN
: Von Hütten und Palästen

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Wenn demnächst irgendwann die Elbphilharmonie fertig ist, 2017 (oder auch 2025), wird sie ein Palast sein. Ein Palast, in dem einige wenige wohnen, in dem ein paar mehr in einem Hotel übernachten, in dem schon ganz schön viele einem Konzert lauschen und in dem richtig viele rumlaufen und gucken werden. Das Rumlaufen und Gucken soll auf der „Plaza“ stattfinden.

Nun machen sich aktuell die verantwortlichen Leute Sorgen, dass dann in 2017 (oder auch 2025) die Besucher sich zu sehr auf der schicken Plaza drängen werden und deshalb wird sich jetzt schon mal dieses drängenden Problems angenommen. Es wird überlegt, kostenlose Tickets auszugeben, damit die Läufer und Gucker sich vorher, zum Beispiel im Internet, schon mal einen Termin für die Plaza machen können. Das sind so die Sachen, die uns in Hamburg bewegen.

„Friede den Hütten und Krieg den Palästen!“ hieß es in Georg Büchners Kampfschrift im Hessischen Landboten. Ich wünsche nicht, dass die Elbphilharmonie kriegerisch angegriffen wird, dafür war sie zu teuer. Im Übrigen finde ich sie ganz schick. Ich würde mit Besuchsfreunden an einem touristischen Wandertag hingehen und sagen, „Seht her, das wird unser Palast. Hat die Stadt ganz schön was gekostet. Millionen, Milliarden, irgendsowas.“

In Hamburg gibt es auch ein paar Hütten, die würde ich dem politisch, städtebaulich interessierten Freund natürlich auch zeigen. Ich würde in ein paar Stadtteile fahren und sagen, „Hier mein Freund, hier wohnen sie weniger schick. Aber immer noch mit Heizung und Fernsehen. Und kein Krieg im Gange. Hier geht das, in Hamburg. Hier hält sich das noch im Mittelmaß der Armut.“ Die Leute kriegen ja doch ein bisschen Geld. Können zu Aldi gehen und auch, wenn sie Internet haben, sich später mal anmelden, für die kostenlose Plaza auf der Elbphilharmonie.

Da gibt’s dann aber auch noch die ganz ohne Hütte. Die auf der Straße schlafen, unter Brücken und im Zelt. Damit verhält es sich so, dass die alte Elbdame einwenden würde, „Gott, die haben wir halt so, wir sind Großstadt. Auch die Möwen und die Sperlinge gehen da hin, wo was abfällt. Wir können da nichts für. Wir haben die Armut nicht gemacht.“ Wir schüttelten dann alle den Kopf, nein, haben wir nicht gemacht, gar nicht. Momentan, würde ich dann erklären, kriegt es ein bisschen in Hamburg, die linken Krawallmacher, die Kapuzenjungs, die nur randalieren wollen statt arbeiten.

Sowas in der Art steht in der Zeitung, in einer und auch der Anderen, und in den Kommentaren sowieso. Man hat es nicht gern, wenn Leute sich aufregen und auf die Straße gehen und sich für andere Leute einsetzen, die noch nicht mal eine Hütte haben und womöglich demnächst auch noch auf der Plaza auf der Elbphilharmonie rumlaufen wollen, und ohne Ticket. Da sagt der Herr Neumann, das geht nicht. Aber er hofft, „dass das Vertrauen wächst, dass man mit diesem Staat ins Gespräch kommen kann und die Beteiligten sich freiwillig melden werden“. Wer sich meldet, der wird auch gar nicht abgeschoben. Das ist ja sonst auch noch nie passiert. Und mit Pfefferspray und 1.000 Polizisten hat der Staat in den letzten Tagen allerhand Vertrauen aufgebaut.

In der St. Pauli-Kirche wollte man dagegen ein paar Hütten bauen, für die Lampedusa-Flüchtlinge, vorerst wohnen sie dort nämlich noch auf dem Kirchenboden, aber das ist auch gegen das Gesetz. „Diese Gerechtigkeit ist nur ein Mittel, euch in Ordnung zu halten, damit man euch bequemer schinde; sie spricht nach Gesetzen, die ihr nicht versteht, nach Grundsätzen, von denen ihr nichts wißt, Urteile, von denen ihr nichts begreift“, meinte auch schon Herr Büchner, das war 1834. Die St. Pauli-Kirche hat sich aber auch einer ganz alten Tradition erinnert, einer Tradition, die in altmodischer Kirchensprache Barmherzigkeit heißt.KATRIN SEDDIG Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen