Der Ring-Fiesling

Die Zuschauer hassen ihn, und Matthias Rüdiger Freiherr von Ilgen hasst den bürgerlichen Pöbel. In ein dunkles Cape gewandet, blickt er als Wrestling-Schurke voller Verachtung auf seinen Gegner. Seine Spezialfähigkeit im Ring: die „Landenteignung“, im Catcher-Jargon „Top Rope Neckbreaker“ genannt: Von den Seilen schleudert er dabei seinen Gegner auf den Boden.

Ab kommender Woche sitzt dieser Matthias Ilgen für die SPD im Bundestag: Im Wahlkreis Nordfriesland/ Dithmarschen Nord ist der Husumer angetreten, und statt um Landenteignung will er sich in Berlin vor allem um Verkehr und Wirtschaft kümmern.

Der selbstständige Veranstaltungskaufmann dürfte der erste Wrestler im Bundestag sein – anders als in den USA, wo es der Catcher Jesse Ventura sogar zum Gouverneur von Minnesota brachte. Aus seinem Hobby macht Ilgen kein Geheimnis. In der Fraktion bekomme er gutes Feedback, sagt er: Sogar SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wolle mit den Jusos mal ein Match besuchen, sei ihm zugetragen worden.

Er weiß, dass sein Sport nicht den besten Ruf genießt: Wrestling, heißt es, ist nur Show. Ein Vorurteil, sagt der 29-Jährige. Im europäischen Wrestling entscheide sich erst im Match, wer gewinne. Und dafür sollten die beiden Gegner nicht nur stark und schnell, sondern auch geschickt sein. „Sie müssen das Fallen beherrschen, das ist die eigene Lebensversicherung.“ Eine Fähigkeit, die auch in der Politik von Nutzen sein könne. Auch vom Kampfgeist seines wrestlenden Alter Egos nimmt Ilgen etwas mit: Die Schwäche des Gegners zu erkennen und den Moment zu nutzen, um die eigenen Themen anzubringen, sei manchmal nötig, sagt er: „Man muss schon auch mal Schwein sein.“

Aber warum mimt der Sozialdemokrat ausgerechnet den finsteren Adeligen? „Man kann dabei umso mehr Gas geben.“ Seine Kunstfigur ist ein „Heel“, ein böser Antagonist zu den Publikumslieblingen. Daraus entstehe die Dramatik, sagt Ilgen.

Potenzielle Ring-Fieslinge erkennt der SPD-Abgeordnete auch in anderen Kollegen. Die Generalsekretäre von CDU und CSU zum Beispiel, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt: Die beiden eigneten sich, sagt er, durchaus als „böse Typen im Wrestling“.  EVA OER