Bauen im Bodenlosen

KUNST Nach jahrelanger Verzögerung wird heute der Grundstein für die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel gelegt. Sie wird 30 Millionen Euro teurer als geplant

■ Der erst im März eröffnete Erweiterungsbau des Museums Berggruen ist wegen Baumängeln ab 28. Oktober wieder für ein Jahr geschlossen. Schimmel hat das ganze Dach befallen.

■ Ein zweijähriger Umbau hatte das Museum um 1.200 Quadratmeter für rund 7,6 Millionen Euro erweitert. Es ist nach dem Sammler und Kunsthändler Heinz Berggruen (1914–2007) benannt. (taz)

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wie eine Geschichte aus grauer Vorzeit, als die ersten Pläne zur Erweiterung der Museumsinsel vorgelegt wurden, wird einigen Teilnehmern die Grundsteinlegung für die James-Simon-Galerie am heutigen Freitag vorkommen. Der Baustart am Kupfergraben für das neue Eingangs- und Galeriegebäude zum Pergamon-, Bode- und Neuen Museum des Architekten David Chipperfield ist schon so oft verschoben worden, dass man mittlerweile nachdenken muss, worum es sich hier handelt. Immerhin wird seit fast neun Jahren – 2005/2006 wurden die ersten Entwürfe präsentiert – umgeplant, Verzögerungen und Pannen folgen einander. Zuletzt wurde auch die Eröffnung von 2014 auf frühestens 2017 vertagt.

Tempel mit Säulen

Für den neuen Eingangstempel mit seiner langen Säulenhalle, der pompösen Treppenanlage und der großen Besucherhalle aus Glas und hellem Sandstein dahinter wird der Grundstein im Beisein von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wohl in die tiefe, mit Wasser gefüllte Baugrube gelegt werden. Baggerschiffe paddeln dort seit Jahren hin und her.

Die Wassergrube bildet gewissermaßen das Symbol für das Baudesaster auf der Museumsinsel. 2006 hatte Chipperfield den schlanken Entwurf an der Seite des Neuen Museums präsentiert. Auf Wunsch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) wurde die Chipperfield-Planung imposant vergrößert. Die Besuchermassen, der Service und die Galerie erhielten mehr Raum. Dieser Logik folgend sollte das Haus auch noch tiefer für Erschließungswege unterkellert werden, obwohl Baufachleute und Geologen davor warnten, am Kupfergraben zu massiv zu bauen – statt leicht.

Zum einen ist der Grundwasserspiegel hier sehr hoch. Zum anderen besteht der Boden aus einer eiszeitlichen Schlammblase, einem „Kolk“, und ist „wahrhaftig bodenlos“, wie der Architekturkritiker Nikolaus Bernau die Situation einmal treffend charakterisierte.

Trotzdem grub man ab 2009 tiefer. Für den Eingangsbau sollte ein Fundament aus Stahlpfählen das kommende Gebäude stützen – ein extrem langwieriges und zusätzlich teures Unterfangen für das einst auf rund 70 Millionen Euro taxierten Bauwerk.

Nach Ansicht von Hermann Parzinger, Präsident der SPK, hatte das Bauvorhaben mit „großen Problemen“ zu kämpfen. Das Projekt sei die vergangenen drei Jahre quasi darum im Schlamm versunken, „weil sehr komplexe Gründungsarbeiten nötig waren. 1.200 Pfähle mussten noch 35 Meter tief verankert und dann mit einer Unterbodensohle verbunden werden“. So was dauert. Aber: Konnten das die Architekten und SPK nicht vorher wissen?

„Ein gewisser Größenwahn führt regelmäßig ins Desaster“

SABINE BANGERT, GRÜNE

Zudem stellt sich die Frage, wie teuer die nach dem Berliner Unternehmer und Kunstsammler James Simon (1851 bis 1932) benannte Eingangshalle noch wird. Durch die Um- und Fehlplanungen sowie Mehrkosten wegen der Pfählung in der Wassergrube wurden bereits 34 Millionen Euro verbrannt. Während die SPK offiziell noch keine neuen Summen nennt, teilte das Bundesamt für Bauwesen am Mittwoch mit, dass die Galerie sich von 70 auf jetzt 98,8 Millionen Euro verteuert. Experten gehen davon aus, dass die Hundertmillionengrenze gerissen wird.

Pannen und Mehrkosten bei Prestigeprojekten gehören zu den Nachrichten aus Hamburg, Köln, Stuttgart und vom BER in Schönefeld. Dass es für die repräsentativen Kulturbauprojekte der Stadt auch nicht gerade gut läuft, ist kein Gesetz der Serie, sondern beruht auf den gleichen Fehlern und auf Schlamperei.

Jahrelange Terminverschiebungen gibt es auch bei der Staatsbibliothek. Die Bausumme für die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden kletterte um 40 Millionen Euro auf vorläufig 290 Millionen. Die James-Simon-Galerie, der Umbau des Pergamonmuseums (statt 385 nun 430 Millionen) sowie der jetzige Schaden beim Museum Berggruen schlagen weiter zu Buche. „Die Kostenexplosionen bei diesen Bauprojekten haben System“, sagt dazu die kulturpolitische Sprecherin der Berliner Grünen, Sabine Bangert. „Viel zu oft sind die Bausummen politisch gesetzt und nicht seriös kalkuliert. Gepaart mit einem gewissen Größenwahn – größer, schöner, spektakulärer muss es in Berlin immer sein –, führt dies regelmäßig ins Desaster.“

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