DAS „HERBSTFEST DER TRÄUME“ IST EINE AUSGEBURT DER FERNSEHHÖLLE. DIE REFLEXHAFTE KRITIK AN ARD UND ZDF NERVT TROTZDEM
: Autounfall mit Florian Silbereisen

JÜRN KRUSE

Es war schlimm. Ganz, ganz schlimm. Sie müssen das a in „ganz“ extrem in die Länge ziehen, um halbwegs ermessen zu können, wie schlimm es war. Ich habe am Samstag das „Herbstfest der Träume“ gesehen. Diese Show, in der Florian Silbereisen die Treppe hinunterschlendert, in der Ross Anthony das Musical „Mary Poppins“ zerstört, in der Frauen mit frechen Kurzhaarfrisuren und eckigen Brillen begeistert aufstehen und versuchen, im Takt zu klatschen, und in der Männer mit Kurzarmhemd und Krawatte ebenso begeistert Michelle und Helene Fischer zujubeln. Bei keinem anderen Fernsehformat ist der häufig bemühte Autounfalleffekt – Hinschauen mag man nicht, Wegschauen ist aber auch unmöglich – derart zu spüren.

Zusammen mit einem Freund wollte ich der infantilsten aller Freizeitgestaltungen nachgehen: Playstation spielen. Doch irgendwann muss man ja auch mal was essen (Pizza und anschließend Pudding, nichts davon selbstgemacht). Und um dabei die Controller nicht vollzufetten, wird halt TV geglotzt. Und da kam er: Florian Silbereisen. Und dann eine schöne Schäferin, die Schafe auf die Bühne führte, und Kinder, die in Igel- und Marienkäferkostümen tanzten. „Das ist ja wirklich wie bei ‚Switch‘“, sagte mein Kumpel gebannt.

Das „Herbstfest“ hieß 2012 „Herbstfest der Überraschungen“, davor „der Abenteuer“. Beim Gucken solcher Sendungen kann man nicht anders, als für die Verantwortlichen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern um Gnade zu bitten. Denn für so ein Programm kommt man mit Sicherheit in die Hölle – zumindest als Katholik.

Professionelle Medienkritiker schauen eigentlich keine „Herbstfeste“, sondern die Filme am Mittwoch und Sonntag im Ersten, Dokus, Jauchmaischbergerillnerplasbergwill, sie schauen „Wetten, dass..?“, sie schauen die Polit- und Wirtschaftsmagazine und die Nachrichtensendungen. Da ist auch immer wieder Schrott dabei, aber längst nicht so viel, um ARD und ZDF unablässig wie die Geißel unserer Gesellschaft zu behandeln.

Läuft irgendwo anders ein gut gemachtes Stück Fernsehen, können Sie darauf wetten, dass irgendeiner dieser Kritiker schreit, dass das doch „bestes öffentlich-rechtliches Fernsehen“ sei, aber eben nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen laufe, was zeige, wie bescheuert doch ARD und ZDF seien. Einfach zu loben – „Schaut hin, da hat jemand einen tollen Beitrag realisiert“ – das geht nicht mehr.

Kommen von irgendwoher spannende Serien, werden diese nicht dankbar angenommen, nein, sie werden als Beleg dafür genommen, was unsere öffentlich-rechtlichen Anstalten alles nicht auf die Kette bekommen.

Montag Barbara Dribbusch Später Dienstag Deniz Yücel Besser Mittwoch Martin Reichert Erwachsen Donnerstag Ambros Waibel Blicke Freitag Meike Laaff Nullen und Einsen

ARD und ZDF sind zur einzigen Referenzgröße geworden – für alles, was sich vor einer Kamera bewegt. Es ist pathologisch. Es ist ermüdend.

Wir sollten alle mehr „Herbstfeste“ gucken, dann lernen wir, wofür es die Landesrundfunkanstalten und die Mainzelmännchen wirklich zu kritisieren gilt. Es rückt die Maßstäbe wieder zurecht. Und danach kommt einem Playstation spielen auch nicht mehr wie die sinnloseste aller Freizeitbeschäftigungen vor.