Vergebliche Flucht ins Betongold

Vom Überleben in der Krise

VON ULRIKE HERRMANN

Wohin mit meinem Geld?! Diese Frage beschäftigt jeden Deutschen, der Vermögen hat. Denn die Zinsen sind unter die Inflationsrate gesunken – nicht weil die Inflation hoch wäre, sondern weil die Zinsen mickrig sind.

Das Geldvermögen wird schleichend vernichtet, was viele Deutsche nicht tatenlos ertragen wollen. Also investieren sie in Immobilien, in Aktien und manche auch in Gold.

Am erstaunlichsten entwickeln sich die Immobilienmärkte. Eine 60-Quadratmeter-Wohnung in München ist in den vergangenen zwei Jahren um sensationelle 41 Prozent teurer geworden, wenn man den einschlägigen Internetportalen trauen darf.

Nun ist München bekannt dafür, dass es ein teures Pflaster ist. Aber auch in einer so unauffälligen Gemeinde wie Erlangen sind die Wohnungspreise in den vergangenen zwei Jahren um 33 Prozent gestiegen.

Bundesweit haben die Immobilienpreise um rund 15 Prozent zugelegt, was auf den ersten Blick harmlos erscheinen mag. Aber in diesem Durchschnittswert sind Städte wie Gelsenkirchen enthalten, wo es keine Freude ist, ein Haus zu verkaufen, weil die Bevölkerung schrumpft und die Wohnungspreise im Keller sind.

Es ist ein Alarmsignal, dass die Immobilienpreise in vielen Gemeinden explodieren. Normalerweise werden Häuser nämlich nicht teurer, wenn man die Inflation herausrechnet. Der Grund ist schlicht: Sobald die Preise steigen, wird neu gebaut. Natürlich gibt es einige Lagen, etwa in Innenstädten, die dauerhaft teurer werden, weil sie sich nicht beliebig vermehren lassen. Aber insgesamt gilt, dass Wohnungspreise stabil bleiben.

Die USA besitzen lange Zeitreihen über ihren Wohnungsmarkt, die – anders als in Deutschland – nicht durch Weltkriege oder Landesteilungen verzerrt sind. Und in dem Jahrhundert von 1891 bis 1996 wurden Häuser in den USA real nur um 27 Prozent teurer. Erst ab 1997 begannen dort die Immobilienpreise rasant zu steigen, was prompt eine schwere Finanzkrise auslöste, so dass die Häuserpreise ab 2007 wieder kollabierten.

Pumpt sich also auch in Deutschland eine gefährliche Immobilienblase auf? Zumindest die Bundesbank bleibt gelassen und hält die steigenden Häuserpreise für unbedenklich, weil die Wohnungen meist nicht auf Kredit finanziert werden. Stattdessen setzen viele Käufer ihr Erspartes ein. Die Deutschen wollen ihr Vermögen sichern, keine Schulden machen.

Dies ist tatsächlich ein fundamentaler Unterschied zur Finanzkrise in den USA: Dort verdoppelten sich nicht nur die Häuserpreise, sondern auch das Kreditvolumen stieg um das Zweifache. Als dann der Crash einsetzte, mussten die Banken die verbrieften Darlehen abschreiben und rutschten in die Pleite.

So dramatisch wird es in Deutschland nicht kommen, wenn die Immobilienpreise wieder sinken. Es wäre nur das Ersparte verschwunden. Aber was heißt „nur“: Es würde offenbar, dass ein Teil der deutschen Vermögen fiktiv ist. Offiziell handelt es sich zwar um eine „Wertsteigerung“, wenn Häuser teurer werden, aber faktisch findet eine Inflation bei den Immobilien statt.

■ ist Wirtschaftskorrespondentin der taz. Im September ist ihr neues Buch „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Westend) erschienen.

■ An dieser Stelle wechseln sich wöchentlich unter anderem ab: Sabine Reiner, Rudi Hickel, Gesine Schwan, Niko Paech und Jens Berger.

Sobald das Wort „Inflation“ fällt, wissen viele Deutsche, wer schuld sein muss: die Zentralbank, weil sie zu viel Geld „druckt“ und die Zinsen senkt. Bei dieser vermeintlichen Kausalkette wird jedoch übersehen, dass der deutsche Immobilienboom ja gerade nicht auf Kredit finanziert wird. Die Zinsen mögen zwar niedrig sein, aber deswegen nehmen die meisten Bundesbürger noch lange keine Darlehen auf. Stattdessen wollen sie ihr Geld in Sicherheit bringen. In Deutschland gibt es zu viel Vermögen, nicht zu viele Kredite.

Was läuft also schief? Es ist ziemlich banal: Die deutschen Vermögen werden entwertet, weil die Wirtschaft dümpelt. In diesem Jahr wird sie nur um 0,4 Prozent wachsen. Da kann es nicht „nachhaltig“ sein, wenn zeitgleich die Preise für Immobilien und Aktien explodieren.

Daher ein Tipp für alle Anleger: Wer sein Vermögen retten will, sollte dafür sorgen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Sparkurs aufgibt, der die Eurozone stranguliert – und auch das deutsche Wachstum halbiert.