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: Die Botschaft des Freedom Tower

Die ganze Sache war selbst Larry Silverstein peinlich geworden. Seit Monaten hatte der New Yorker Immobilienmagnat den Beginn der Neubebauung von Ground Zero vor sich her geschoben, weil ihm offensichtlich für sein 7-Milliarden-Dollar-Vorhaben die Mittel fehlten. Diese Woche gab er endlich dem Druck der Politik und der Presse nach und trat die Hoheit über die Hälfte seiner Projekte am Südzipfel Manhattans ab, damit endlich die Arbeiten beginnen können.

„Wir haben Zugeständnisse gemacht, weil die Sache von so eminenter öffentlicher Bedeutung ist“, erklärte Silverstein seine plötzliche Einsicht. Worin diese öffentliche Bedeutsamkeit bestehen soll, bleibt allerdings diffus: Wem mit fünf neuen Wolkenkratzern in Südmanhattan gedient sein soll, weiß niemand so genau. Bedarf an Büroraum in diesen Mengen gibt es in New York jedenfalls nicht. Das Überangebot an Bürofläche wird nach Expertenmeinung sowohl dem New Yorker Immobilienmarkt als auch dem Gefüge des Stadtviertels eher schaden.

Der Druck, schnell zu bauen, entsteht eher aus einem vagen Drang, aktiv zu sein. Man will der Welt zeigen, dass man sich nicht kleinkriegen lässt. Unentschlossenes Nichtstun passt nicht in das Bild des geeinten, unerschrockenen Amerika, dass sich von ein paar Fanatikern nicht aus der Bahn werfen lässt. Deshalb wird es nun bald den Freedom Tower geben. Etwas anderes, als Bürotürme zu bauen, stand nie ernsthaft zur Debatte. Die vier Jahre währende Provinzposse zwischen den verschiedenen Interessengruppen – den Architekten, den Behörden, den Familien der Angehörigen – hatte nie etwas mit der Philosophie der Bebauung zu tun. Es ging allein um Macht und um Geld.

Die Botschaft sowohl der Zankereien als auch der geplanten Bauten ist klar: Amerika ist nicht dazu bereit, als Reaktion auf den 11. September auch nur im Ansatz über sich selbst nachzudenken. Stattdessen werden ausgerechnet am Ground Zero die hässlichsten Züge des amerikanischen Kapitalismus auf die Spitze getrieben; es wäre vielleicht auch von vornherein illusionär gewesen, hätte man etwas anderes erwartet.

Wenigstens für das Museum und die Gedenkstätte am Ground Zero gibt es noch Hoffnung. Die neue Direktorin des Projekts, Alice Greenwald, lässt sich von niemandem hetzen. „Wir wollen nicht nur die Geschichte erzählen. Sondern wir wollen ihr auch einen Sinn geben“, beschreibt sie ihre Mission. Herauszufinden, wie man das am besten macht, ist freilich schwieriger und langwieriger, als ein paar Millionen Quadratmeter vermietbare Arbeitsfläche hinzuklotzen.

SEBASTIAN MOLL