die taz vor 12 jahren über das verfassungsgericht und die entkriminalisierung von cannabis
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Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Hanf-Prohibition hat das höchste deutsche Gericht den Gebrauch von Hanfdrogen entkriminalisiert – ohne die Strafbarkeit grundsätzlich aufzuheben. Die Länder müssen nach dem Willen der Karlsruher Richter nun einheitliche Verwaltungsvorschriften erlassen, um „Rechtssicherheit für gelegentliche Konsumenten“ herzustellen – und darüber hinaus Cannabis weiterhin verfolgen wie bisher. Die Entscheidung des BVG ist also ein klassisches Jein – und doch ein erster und wichtiger Schritt in der Abrüstung des Drogenkriegs.

Auch wenn sich das Gericht nicht dazu durchringen konnte, das geltende Betäubungsmittelgesetz für verfassungswidrig zu erklären und Cannabis mit den absolut legalen und ungleich gesundheitsschädlicheren Drogen Alkohol und Nikotin auf eine Stufe zu stellen, ist mit diesem Urteil zumindest das Mittelalter in der Drogen-Prohibition beendet. An der zynischen und mafiosen Ökonomie des Cannabis-Markts ändert das Urteil aber nichts – der harmlose Hanf bleibt weiterhin in der Grauzone des Schwarzmarkts und damit auf einer Ebene mit Waffen- und Heroinhandel. Deshalb muß neben dem Besitz auch der Anbau von THC-reichem Cannabis zum Eigenbedarf entkriminalisiert werden. Daß die nützlichste Pflanze des Planeten auch nach diesem Urteil weiterhin mit Stumpf und Stil verboten bleibt, ist ein Skandal erster Güte. Es gibt viel zu tun – pflanzen wir’s an! Mathias Bröckers, 29. 4. 1994