Schicksalsstunde für Romano Prodi

Schon beim ersten Wahlgang für den Präsidenten des italienischen Senats zeigt sich, wie schwer es dem designierten Ministerpräsidenten Romano Prodi fällt, eine Mehrheit zusammenzubringen. Scheitert sein Kandidat, wird es sehr eng

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Die gestern zu ihren ersten Sitzungen zusammengerufenen beiden Kammern des italienischen Parlaments hatten formal zunächst bloß die Wahl ihrer Präsidenten vorzunehmen; faktisch fiel ihnen damit aber auch die Entscheidung darüber zu, ob eine Regierung Romano Prodi tatsächlich zustande kommt.

Unproblematisch ist für Prodi die Situation im Abgeordnetenhaus. Dort verfügt seine Koalition aufgrund des dem siegreichen Lager gewährten Mehrheitsbonus über einen Vorsprung von 348 zu 281 Mandaten. Das Berlusconi-Lager hat deshalb auf die Nominierung eines Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten verzichtet. Für die Prodi-Koalition geht Fausto Bertinotti ins Rennen, der Vorsitzende der Rifondazione Comunista. Es gilt als ausgemacht, dass er heute im vierten Wahlgang bei der dann nur noch nötigen absoluten Mehrheit erfolgreich sein wird.

Schon gestern zeigte sich jedoch auch, dass die Situation für Prodi im Senat weit schwieriger ist. Prodis „Union“ hat insgesamt 158 Senatoren, das Berlusconi-Lager 156. Hinzu kommen ein von den Auslandsitalienern in Südamerika gewählter Unabhängiger sowie sieben Senatoren auf Lebenszeit. Der Unabhängige ebenso wie vier der sieben Lebenslangen erklärten im Vorfeld, sie würden Prodi folgen. Rechnerisch hatte der damit eine Mehrheit von 163 der 322 Senatoren für seinen Kandidaten als Senatspräsidenten beisammen: den aus der Christdemokratie stammenden früheren Gewerkschafter Franco Marini.

Doch Berlusconi konterte mit einem sehr geschickten Schachzug – und nominierte als Kandidaten seines Lagers den 87-jährigen Giulio Andreotti. Der alte christdemokratische Fuchs, der insgesamt siebenmal Ministerpräsident Italiens gewesen war, hat auch in den Reihen des Prodi-Lagers zahlreiche offene oder heimliche Freunde. Und er, der 1993 über die Mafia-Vorwürfe der Staatsanwaltschaft von Palermo tief gestürzt war, hofft seinerseits mit der Wahl zum Senatspräsidenten auf seine Rehabilitierung. Zwar wurde ihm in letzter Instanz 2004 bescheinigt, er habe bis 1980 über Jahrzehnte hinweg der Mafia zugearbeitet, aber diese Straftat sei verjährt. Italiens Öffentlichkeit nahm die Entscheidung des Gerichts lediglich als „Freispruch“ wahr; mit der Wahl ins zweithöchste Staatsamt würde Andreotti wohl endgültig als moralischer Sieger dastehen.

Das schien gestern Nachmittag keineswegs ausgeschlossen. Im ersten Wahlgang erhielt Franco Marini nur 157 statt der errechneten 163 Stimmen, während Andreotti auf 140 kam und der Lega-Nord-Kandidat auf 15. Für spätere Wahlgänge stellte die Lega Nord eine Unterstützung Andreottis in Aussicht – dann könnte es eng werden. Vor allem für Prodi. Sollte sein Kandidat im Senat scheitern, gilt das als Beweis, dass die Mitte-links-Mehrheit dort faktisch nicht existiert. Bis hin zu Neuwahlen gilt in diesem Falle alles als möglich. Sollte Marini sich aber durchsetzen, wäre der Weg zu einer schnellen Regierungsbildung frei.