Vorgebliches Vertrauen

DFB-TEAM Vertragsverlängerung hin oder her, die Zukunft von Bundestrainer Joachim Löw hängt vom WM-Abschneiden ab

AUS FRANKFURT FRANK HELLMANN

Der Eingangsbereich zur Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat gestern ein bisschen anders ausgesehen als gewöhnlich. Lauter weiße Stehtische waren vor den gläsernen Vitrinen aufgebaut, und Essen und Trinken soll es reichlich gegeben haben. Für alle Mitarbeiter des Hauses. Die großzügigen Spender des Freitagsfrühstücks: Joachim Löw, Oliver Bierhoff, Hansi Flick und Andreas Köpke. Kaum hatte der Bundestrainer „um 10.22 Uhr“, wie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach später der Öffentlichkeit mitteilte, sein Autogramm unter ein nun bis zum 31. Juli 2016 laufendes Arbeitspapier gesetzt, hielt es der „erste Sturm“ (DFB-Mediendirektor Ralf Köttker) für erforderlich, den vielen Unterstützern aus der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise auf diese Weise zu danken.

Den Vertrauensbeweis über die WM 2014 hinaus wertete Löw hernach im Sepp-Herberger-Raum als „Zeichen großer Wertschätzung“. Und er versprach: „Wir gehen alle mit großer Motivation und Leidenschaft an die Arbeit. Wir sind noch nicht am Ende unseres Weges.“ Der 53-Jährige lehnte sich mehrfach in seinem stählernen Stuhl entspannt zurück: Einerseits weiß er, was in Brasilien von ihm erwartet wird, andererseits steht ihm die Verbandsspitze vorbehaltlos zur Seite. „Das Innenleben der Nationalmannschaft ist professionell und vertraulich, eingespielt und nicht eingefahren“, lobte Niersbach, der darauf verwies, dass Deutschland seit zehn Jahren unter den ersten Fünf der Fifa-Weltranglisten geführt werde.

„Zahlen lügen nicht.“ Der Trend, zusammenzubleiben, sei übrigens schon im Frühjahr ausgelotet worden. Und so kann die Paketlösung keinen mehr überraschen. Auch Teammanager Bierhoff („habe im Sommer laut nachgedacht, ob die Arbeit für mich weitergehen soll“) und Torwarttrainer Köpke („Vertrauensverhältnis ist gewachsen“) bleiben bis nach der auf 24 Teilnehmer aufgeblähten EM 2016 in Frankreich. Der derzeitige Co-Trainer Flick wechselt erwartungsgemäß am 1. September 2014 auf den Posten des Sportdirektors und wird gleich mal mit einem Fünfjahresvertrag ausstaffiert. Der 48-Jährige soll diesen Posten – im Gegensatz zu Vorgänger Robin Dutt – nicht fluchtartig verlassen. „Hansi kennt den Laden“, erläuterte Niersbach. Der gebürtige Heidelberger war es übrigens, der in Ermangelung von programmatischen Vorgaben seiner zukünftigen Rolle lieber aussprach, was aktuell als Löw-Assistent seine vorrangige Aufgabe sei: „Wir haben unser riesengroßes Ziel, Weltmeister zu werden.“

Damit war der Stich ins Wespennest geglückt, was den 62-jährigen Niersbach zu einem mehrminütigen, emotionalen Monolog animierte. „Weltmeister werden: Das wollen wir doch alle. Ich erinnere mich noch, wie Jürgen Klinsmann das auf seiner ersten Pressekonferenz verkündet hat“, führte der Rheinländer aus. Und dann erklärte der für den kommenden DFB-Bundestag gestärkte Verbandsboss, bitteschön die Unwägbarkeiten des Sports zu berücksichtigen, „ein saublödes Gegentor, ein Schuss an den Innenpfosten.“ Niersbach: „Es gibt keine Garantie, dass der Weltranglistenerste im Tennis das Finale in Wimbledon erreicht.“ Ein guter Vergleich?

Löw sagte, dass er zum einen die Debatte über Pleiteszenarien nicht möge, und er es zum anderen „despektierlich gegenüber anderen Nationen“ fände, wenn die deutsche Öffentlichkeit so tue, „als werden wir selbstverständlich Weltmeister“. Ja, er kann eine „weltmeisterliche Vorbereitung“ versprechen, aber nicht den vierten WM-Titel.

Obwohl in einem „traditionellen Verband wie dem DFB“ (Niersbach) nicht über Vertragsinhalte geredet wurde, gilt als sicher, dass in dem komplexen Vertragswerk eine Ausstiegsklausel verankert ist. Für den DFB, falls sein Aushängeschild sich auf dem südamerikanischen Kontinent entgegen der Erwartung doch blamiert. Und ein Rücktrittsrecht für die Gegenseite, falls Löw etwas anderes präferiert. Der Badener verriet: „Irgendwann kann ich mir mal vorstellen, wieder in einem Verein zu arbeiten. Denn dieser Beruf macht mir unheimlich Freude.“