Die Anklage

1. Kennzeichen der Organisation: Spätestens ab 1970 wurde eine hierarchisierte paramilitärische Struktur aufgebaut. Nach der Machtergreifung Pinochets 1973 schufen Schäfer und Konsorten in enger Zusammenarbeit mit Pinochets Geheimpolizei Dina ein umfangreiches Informationsnetz über vermeintliche Oppositionelle.

2. Waffen: Im Juni und August 2005 wurden zwei umfangreiche Waffenlager entdeckt: Raketenwerfer, Maschinengewehre, Mörser, Sprengstoffe, Pistolen, Munition. Für den Autor F. Paul Heller, der 2005 mit „Lederhosen, Dutt und Giftgas“ seine zweite Großstudie über die Colonia Dignidad veröffentlicht hat, birgt dieser Komplex die meiste politische Sprengkraft. Auch wegen der erwiesenen Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes habe die deutschen Seite kein Interesse an einer Aufklärung der Vorgänge um das „Waffenschmuggelnest“ Colonia, so Heller zur taz.

3. Organisierte Menschenrechtsverletzungen bei politischen Gefangenen: Die Dina nutzte die Colonia Dignidad als Folter- und Internierungslager für Regimegegner. Ausführliche Zeugenaussagen hatte die deutsche Sektion von amnesty international bereits 1977 veröffentlicht. Der Medizinstudent Luis Peebles, der im Februar 1975 auf das Gelände verschleppt worden war, beschuldigte Paul Schäfer bei einer Gegenüberstellung im März 2005: „Er feuerte die anderen an, mir ständig Elektroschocks zu versetzen, mich zu schlagen oder zu treten.“

4. „Psychiatrische Behandlung“ von Kolonisten: Kleinfamilien waren in der Kolonie verpönt, die Siedler wohnten in großen Gemeinschaftsunterkünften. Um die Familienbande der Siedler zu zerstören und die Sexualität der Kinder zu hemmen, wurden viele mit Psychopharmaka und Elektroschocks gefoltert.

5. Sexuelle Vergehen an Minderjährigen: Der zwanghafte Päderast Schäfer missbrauchte reihenweise Kinder und Jugendliche. „Alle Männer zwischen 8 und 40 sind doch durch die Hände von Schäfer gegangen“, sagt der heute 39-jährige Efraín Vedder, der als zwei Monate alter Säugling ins Krankenhaus der Siedlung kam und seinen Eltern nie mehr zurückgegeben wurde. Ende 2002 hat Vedder der Kolonie den Rücken gekehrt und streitet öffentlich für ihr Ende.

Gerhard Dilger