Krafttraining für Einwanderung

Die Sprache des aktuellen Fitnessstudios. Von Deutsch und anderen Pflichten. Die taz vor Ort in Bielefeld

Was haben die Herbert-Hoover-Realschule in Berlin und die taz-Veranstaltung im Internationalen Begegnungszentrum (IBZ) in Bielefeld gemeinsam? Ihr internationales Publikum. Wie die SchülerInnenschaft in Wedding wiesen auch Dreiviertel der 80 ZuhörerInnen, die am Donnerstag über die Deutschpflicht diskutierten, einen Migrationshintergrund auf. Doch solche Zahlenspiele blieben nicht ohne Gegenfrage des regen Publikums: „Wie lange ist man eigentlich Migrant?“, fragte eine Zuhörerin.

Die Schulhofsprache war also nur Anlass eines Gesprächs über Integration, moderiert von taz-Redakteurin Natalie Wiesmann. Für Tayfun Keltek, Vorsitzender des Kölner Migrationsrates, ist klar: Öffentliche Debatten, wie die um Monate verspätete über die schulische Deutschpflicht, sind bloß „Mittel zum Zweck“. Er vermutet Wahlkampfabsichten, Stimmungsmache: „Es geht gar nicht um die Frage, wie und wo Kinder Deutsch lernen“, so der Kölner Sportlehrer.

Gegen den Zwang zum Deutschsprechen sprach sich laut Vorstandsmitglied Eleonore Chowdry auch die LandesschülerInnenvertretung in NRW aus: „Wir halten das für Diskriminierung“. Integration könne nicht erlassen werden. Auch die grüne Bundestagsabgeordnete aus Bielefeld, Britta Haßelmann, will keine Gesetze. Allerdings begrüße es ihre Partei, wenn gewählte Körperschaften einer Schule sich für die Verwendung des Deutschen aussprechen – „freiwillig und ohne Sanktionen“. Ein „Signal“ für die deutsche Sprache wollte Gerd Schrammen vom Verein Deutsche Sprache in der Pausensprache Deutsch erkennen: „Ich bin aber gegen Bestrafung“.

Nicht ganz zufällig hatte die taz Bielefeld als Veranstaltungsort ausgewählt: Ende Februar wurden hier zwei Gäste eines Fitnessstudios angehalten, nur noch auf Deutsch zu reden. Als sich die beiden türkischstämmigen Kunden weigerten, machte der Geschäftsführer vom Hausrecht Gebrauch. Schrammen, dessen Verein ein mit Anglizismen gespicktes deutsches Kauderwelsch bekämpft, fehlte dafür jedes Verständnis: Der Betreiber dieses „Kraftstudios“ solle zu Zusatzeinheiten an seinen „Ertüchtigungsgeräten“ verurteilt werden. Im Publikum befanden sich die beiden Kunden. Irritiert berichtete Volkan Aksu von den Leserbriefen, die in der Lokalpresse erschienen – auch Migranten unterstützten das rigide Verhalten des Betreibers. Im IBZ wurde die Forderung laut, das „Aktuelle Fitness-Studio“ zu boykottieren und Briefe an den Unternehmer zu schreiben. Aksu und seine Trainingspartnerin halten an einer Klage gegen das Trainingszentrum fest.

Für Haßelmann zeigt auch der Vorfall im Fitnessstudio, dass Konservative – trotz jahrzehntelanger Zuwanderung – verhindert hätten, Deutschland zum Einwanderungsland zu erklären. Bis Mitte der neunziger Jahre habe es staatliche finanzierte Deutschkurse nur für Ostaussiedler gegeben. Das mit Sprachkenntnissen allein noch nichts gewonnen ist, machte ein Zuhörer klar: „Die Leute lernen Deutsch, gut. Aber dann, wer spricht mit ihnen?“ CHRISTOPH SCHURIAN