„Zebras“ auf der Zielgeraden

Nach dem Sieg über die Rivalen aus Flensburg glauben nicht mal mehr Skeptiker daran, dass sich der THW Kiel noch um den Gewinn der zwölften Handball-Meisterschaft bringen wird

von CHRISTIAN GÖRTZEN

Die Fröhlichkeit am anderen Ende des Tisches, das fast humoristische Zusammenspiel zwischen dem Kieler Coach Noka Serdarusic und THW-Manager Uwe Schwenker, erreichte Kent-Harry Andersson nur bruchstückhaft. Der Cheftrainer der SG Flensburg-Handewitt, die nach der 31:37 (18:17)-Niederlage in Kiel keine Chancen mehr auf die Meisterschaft haben dürfte, saß während der Pressekonferenz gramgebeugt auf seinem Stuhl und starrte traurig ins Leere.

Ausgerechnet an seinem 57. Geburtstag bekam der Schwede die Gewissheit eingeschenkt, dass die Saison 2005/06 für ihn, seine Mannschaft und den Verein eine enttäuschende sein wird. Auf das frühe Scheitern im DHB-Pokal am THW und die Halbfinalniederlage in der Champions League gegen Ciudad Real (Spanien) folgte nun vor 10.250 Zuschauern in der ausverkauften Ostseehalle das vorzeitige Aus in der Meisterschaft.

Selbst Uwe Schwenker, sonst eher ein Warner vor verfrühter Euphorie, glaubt nicht mehr daran, dass sich der THW in den ausstehenden acht Partien noch um den Gewinn der zwölften Meisterschaft bringen wird. Der Vorsprung scheint zu groß zu sein. „Ich sage einfach mal, dass wir uns das nicht mehr nehmen lassen und Deutscher Meister werden“, so Schwenker am Sonnabend. „Der Sieg heute besitzt vorentscheidenden Charakter.“

Nach Ansicht von Kiels Trainer Serdarusic entschied der größere Willen über Sieg und Niederlage: „Als wir uns immer wieder mal auf zwei, drei Tore absetzen konnten, war dies für mich das Zeichen dafür, dass die Flensburger dieses Mal nicht so heiß wie Frittenfett waren.“ Serdarusic spielte damit auf das Viertelfinal-Hinspiel der Champions League an, als die SG seine Mannschaft in der Ostseehalle demütigte und mit 32:28 gewann. Weitere Faktoren für den Derbysieg, so Serdarusic, seien die taktische Maßnahme, zur Pause von einer 6:0-Abwehr auf eine 5:1-Formation gegen den wurfstarken SG-Rückraumschützen Blazenko Lackovic umzustellen, und die gute Leistung des dritten Torhüters Dennis Klockmann gewesen. Nur dem Ausfall von Mattias Andersson (Gesäßmuskel-Verletzung) und dem schwachen Auftritt von Nationaltorhüter Henning Fritz in den ersten zwölf Minuten hatte Klockmann es zu verdanken, dass er ins Spiel kam. Er parierte zahlreiche Würfe und gewährleistete auf diese Weise das Zustandekommen des gefürchteten Kieler Tempospiels. Den Rest besorgten im Angriff der überragende Nikola Karabatic (neun Tore) sowie die Schweden Marcus Ahlm und Kim Andersson mit je acht Treffern.

„Bei Dennis Klockmann war mir klar: Wenn ich Geduld habe, würde sich das auszahlen“, sagte Trainer Serdarusic. „Flensburg wusste nicht, wie er sich bewegt und wie er in bestimmten Situationen reagiert. Wir haben das Spiel mit ihm gewonnen.“ Der Gelobte hatte keine Zeit, um nach dem Ende der Partie noch mit den enthusiastischen THW-Fans den Sieg gegen den ungeliebten Rivalen auszukosten: Schon zwei Stunden später musste er das Tor des TSV Altenholz im Heimspiel gegen den ASV Hamm hüten. Eine Zweitspielberechtigung macht das möglich.

Bei aller Aufbruchstimmung gab sich Klockmann bescheiden: „Das ganze Team hat gewonnen. Ich weiß auch nicht, ob Henning Fritz nicht noch besser als ich gehalten hätte. Besser als nach unserem Sieg kann eine Ausgangsposition eigentlich nicht sein.“

Für die unterlegenen Flensburger geht es in ihren restlichen sieben Spielen darum, sich über den zweiten Tabellenplatz direkt für die Champions League zu qualifizieren. Mehr gibt die Fantasie von SG-Manager Thorsten Storm nicht her. „Die Meisterschaft ist entschieden“, sagte er am Sonnabend. „Ich hätte gerne einen Titel geholt, aber im DHB-Pokal hatten wir mit dem Spiel in Kiel Lospech, in der Champions League war es unmöglich. Und durch eine schwache zweite Hälfte haben wir hier heute die Meisterschaft verloren.“