berliner szenen Elend im Osten

Trendgericht Curry

Die Bedienung steckt eine Bratwurst in die weiße Plastikbox und dreht an der herausstehenden Kurbel. In Stücke gehäckselt landet die Wurst in einer Pappschale. „Mit Curry oder ohne?“, fragt die Bedienung den Mann. „Mit“, sagt der Mann. Dann nimmt er sein Schälchen und stellt sich an einen der Stehtische. Beim Essen schnauft er zufrieden. Als die Pappschale leer ist, wird er gesprächig.

Er komme schon lange Jahre her, um hier seine Currywurst zu essen – auch zu Ostzeiten schon. Da hätte der Konnopke noch eine andere Filiale an der Regierungsstrecke in der Berliner Allee gehabt, erzählt er. Weil die Leute aber vor den Currybuden immer Schlange gestanden hätten, habe der Imbiss in eine Seitenstraße ausweichen müssen. Damit die West-Beamten „das Elend“ nicht sehen konnten. „Die Wurst und der Ketchup haben sich nicht verändert. Nur, dass sie jetzt Curry drüber streuen, das ist neu.“ Dann wird seine Stimme leiser und ein bisschen verschwörerisch: „Die Curry kam ja aus Amerika, das war sozusagen das westliche Trendgericht gewesen, mit viel Ketchup und Pommes und so – und eben Currypulver.“ Im Osten habe man das natürlich nicht einfach so nachmachen dürfen – und deshalb die Curry eben ohne Pulver verkauft.

„Aber mal ehrlich“, sagt der Mann jetzt wieder lauter: „Wie viel Bock ist in der Bockwurst und wie viel Wiener in der Wienerwurst?“ Er nimmt den letzten Schluck aus seiner Cola-Dose und stellt sie mit einem Scheppern auf den Tisch. Dann rückt er näher und verrät das Geheimnis: „An manchen Buden hat man das Curry-Pulver einfach in die Soße gerührt, das hat ja keiner gesehen! So haben sie das im Osten gemacht, mit der Currywurst“, sagt er und trollt sich. SONJA FAHRENHORST