Unglücklicher Neuner

Elegant gedreht, einen Nationalspieler ausgetrickst und dann den gegnerischen Torhüter getunnelt: Das erste Bundesliga-Tor des Orhan Ademi war so schön, es folgte geradezu dem Wünsch-dir-was-Prinzip. Weil aber sein Verein, Eintracht Braunschweig, das Spiel am Ende mit 2:3 (1:1) gegen Schalke 04 verlor, blieb vor allem eine Frage: War der 21-Jährige nun ein neuer Held des bezahlten Fußballs – oder eine arme Wurst des 9. Spieltags? Denn Ademis Führungstreffer war wegen schlimmer Fehler seiner Mannschaft, genauer: von deren Abwehr, schnell verblasst.

Der Versuch von Eintracht Braunschweig, den Gesetzen der Bundesliga zu trotzen und mit wenig Geld viel zu erreichen, bleibt mit kuriosen Maßnahmen verbunden. Wohlhabendere Vereine mit ihrem teuren Personal plagen sich derzeit mit der Luxusdebatte, welche taktischen Winkelzüge moderner Spielanlagen sie ausprobieren sollen. Sogenannte falsche Neuner wie Thomas Müller (Bayern München) und Max Kruse (Borussia Mönchengladbach) belegen die Theorie von Bundestrainer Joachim Löw, wonach man auf einen klassischen Stürmer ruhig verzichten darf.

Orhan Ademi dagegen gehört mit seiner robusten Spielweise zu jenen Profis, die ganz klassisch als Mittelstürmer agieren. Seine Rückennummer signalisiert, dass er ein richtiger Neuner ist. Die Rolle mag Spaß machen, in Braunschweig aber, wo man als einziger Angreifer wenig Unterstützung aus dem Mittelfeld erhält, ist dieser Job meistens eine furchtbare Plackerei.

Sein Trainer macht ihm ständig Mut. „Orhan hat ein riesiges Potenzial. Aber er muss sich bei uns eben immer ganz alleine beweisen“, so Eintracht-Chefcoach Torsten Lieberknecht. Zwei Mal hat er Ademi nun von Beginn an spielen lassen, anstelle seines eigentlichen Torjägers Domi Kumbela. So ein Rollentausch ist auch ein Fingerzeig dafür, dass man in Braunschweig fleißig an der Weiterentwicklung der zum Saisonstart noch überforderten Mannschaft arbeitet.

Am 9. Spieltag nun hatten die Niedersachsen den großen Favoriten Schalke zweimal frech ausgekontert, waren jeweils in Führung gegangen. Ademi behauptete sich dabei immer wieder gegen den zweikampfstarken Nationalspieler Benedikt Höwedes, gewann viele Kopfballduelle und hielt den Ball, damit das Mittelfeld nachrücken konnte.

Ja, der Bundesliga-Novize war einer der besten Spieler auf dem Platz. Nach seinem Tor rannte er glücklich in die Arme Lieberknechts. Umso ungerechter ist es, dass der Schalker Siegtreffer – Roman Neustädter nur Sekunden vor dem Abpfiff – all die schönen Ademi-Bilder wieder aus den Köpfen der Fans verscheuchte.  CHRISTIAN OTTO