LEIBESÜBUNGEN FEIERN UND DREIAKKORDSCHRABBELEI BLEIBT COOL
: Ooh-eeoh-uo-oh!

VON JENS UTHOFF

Die Uferstraße in Wedding sieht nicht gerade nach Party aus, wie sie so laubverklebt und herbstlich-schmuddelig daliegt. Inmitten der umliegenden Klinkerbauten, die einst als Pferde-, dann als Straßenbahnbetriebshof genutzt wurden, suche ich nach der Alten Kantine, in der am Freitagabend „30 Jahre Leibesübungen in der taz“ gefeiert werden. Einige Hinweisschilder später werde ich fündig.

30 Jahre Leibesübungen, wahrlich ein Grund zum Feiern. Was mich angeht, so bin ich nach zwei Stunden Leibesübungen schon fix und fertig – und die schaffen 30 Jahre!

Andreas Rüttenauer, seines Zeichens taz-Sportredakteur, beginnt den Abend mit einer kabarettistischen Abhandlung über seine aktive und journalistische sportliche Laufbahn. Sein in breitem bajuwarischen Zungenschlag gehaltener Vortrag führt von vergessenen Sportklamotten und unappetitlichen Erinnerungen an Schulumkleiden schließlich zur täglichen Arbeit eines Sportredakteurs. Die, so weiß man nun, fängt schon im Treppenhaus an, wo man von Nachbarn auf die Fußballspiele des Vorabends angesprochen wird. So muss man Strategien entwickeln, falls man die Partie nicht gesehen hat. Im Zweifel funktioniert immer: „A Wahnsinnsspui!“

Rüttenauer, der vor knapp zwei Jahren den Posten des DFB-Präsidenten anstrebte, erschien an diesem Abend in rotem Leibesübungen-Jubiläumsshirt, kurzen schwarzen Turnhosen und adretten weißen und bis zur Mitte des Schienbeins über die straffen Waden gezogenen Sportsocken. Der taz-Redakteur hätte dem DFB wohl nicht nur – wie dessen Kollege Markus Völker insinuierte – zu unterhaltsameren Pressekonferenzen verholfen, sondern auch modisch neue Akzente gesetzt. Niemand hätte mehr von Joschka Fischers Turnschuhen gesprochen, wenn er in seinen knappen Shorts zu den Fifa-Konferenzen aufgelaufen wäre.

Bier muss fließen

Ein amüsanter Abend, in dessen Laufe die anwesenden taz-Leibesübungen-Gründer amüsante Anekdoten erzählen und unter anderem die Kolumnisten Achim Bogdahn und Christoph Biermann lesen. Und an dem das Augustiner fließt.

Am Samstag widme ich mich wenig erfolgreich selbst den Leibesübungen. Unser Team, die Rasensport-Helden des THC Franziskaner, tritt an diesem Tag so ganz und gar nicht heldenhaft auf. Auf dem Platz der Friedrichshainer Metro verlieren wir gegen eine Mannschaft namens Sportgemeinschaft Eichkamp-Rupenhorn mit 1:3. Unsere sogenannten Torabschlüsse fliegen Richtung Berghain, O2 World und Ostbahnhof, das anvisierte Ziel zwischen dem Gestänge aber verfehlen sie in beeindruckender Regelmäßigkeit. A Wahnsinnsspui eben – das wir vor dem Späti noch bei einem Getränk analysieren.

Am Abend sehe ich die Gegenwart des Punkrock im Bi Nuu – sie trägt den Namen The Thermals. Das Gute an der Lo-Fi-Punkband Thermals aus Portland ist, dass jeder zweite Song eine Hymne ist – so darf man sich über zahlreiche wunderbare Chöre freuen, zu denen man durchgehend in gleichem Rhythmus wippen kann.

„Ooh-eeoh-uo-oh, Ooh-eeoh-uo-oh / Ooh-eeoh-uo-oh, Ooh-eeoh-uo-oh“, hallt es durch den Saal. Hüpfen, Pogen, Stagediven, alles dabei, die Thermals unterziehen ältere Menschen einer Verjüngungskur. Sänger Hutch Harris, smarter Jeansjackentyp, schrabbert die drei Akkorde runter, Bassistin Kathy Foster fallen die blondierten, gekräuselten Locken beim Headbangen ins Gesicht, und Schlagzeuger Westin Glass drischt vor allem auf die bemitleidenswerten Ride- und Crash-Becken ein. „What do we need / we should need nothing / nothing at all“, singen die Thermals. Nein, danke, nach diesem energetischen Treiben brauchen wir gar nichts mehr.