Der Handlungsreisende

Robi Insinna aka Headman aka Manhead hat viele Namen und viele Funktionen: Er ist DJ, führt ein Label, macht Remixe für Franz Ferdinand und Roxy Music und hat gerade ein neues Album vorgelegt

VON THOMAS WINKLER

Heute hat der Headman schlechte Laune. Oder vielleicht ist es auch der Manhead. Oder vielleicht auch keines seiner Pseudonyme, sondern diesmal Robi Insinna höchstselbst. „Die Musikbranche“, sagt der Schweizer, „die nervt manchmal.“ In diesem Fall ist der Stress besonders groß: Denn Insinna muss momentan nicht nur das eigene Label, die Remix-Aufträge für Franz Ferdinand oder Roxy Music und die Reisen als DJ um den halben Globus koordinieren, muss nicht nur akzeptieren, dass seine zweite große Leidenschaft, die Malerei, zu kurz kommt, sondern soll währenddessen nebenbei auch noch „On“, das zweite Album seines Alter Egos Headman, bewerben. „Ich bin gerade etwas überfordert“, sagt er und steckt sich eine Chesterfield an.

Nein, dem Klischee vom gemütlichen Eidgenossen mag der 33-Jährige nicht entsprechen. Zwar bezahlt er seit dem vergangenen Sommer eine Wohnung in Mitte, aber „in Berlin sein“, so Insinna, könne man das momentan kaum nennen, so umtriebig sei er. Zuletzt war er als DJ in Italien, Frankreich, Holland und Belgien unterwegs, demnächst geht es nach Australien, Irland, Spanien und Kanada. Insinna verbreitet um sich die atemlose Atmosphäre eines Handlungsreisenden in Sachen Musik: „Mein Business ist europaweit aufgesplittet.“ So hat es in den letzten Monaten gerade mal dazu gereicht, eher oberflächliche Eindrücke von der neuen Heimat zu gewinnen: „Berlin ist schon nett.“

Der Umzug von Zürich nach Berlin hatte „vor allem geschäftliche Gründe“. Angezogen hat Insinna weder der Ruf Berlins als Electronica-Metropole noch die verklärte Vergangenheit als Techno-Kapitale, und „musikalisch sehe ich mich sowieso eher in England zu Hause“. Dort sei es – im Gegensatz zu Deutschland oder der Schweiz – eben kein Problem, in einem Club zu Rockmusik zu tanzen und zu Elektronik zu chillen.

Diese Vielfalt ist auf „On“ zu hören. Während die Erscheinungsform Manhead eher für die klassischen Dance-Tunes zuständig ist, entwarf Insinna den Headman von vornherein als „meine virtuelle Band“ – zunächst am Rechner. Allerdings integrierte Insinna von Anfang an den Klang möglichst vieler organischer Instrumente und verschmolz sie auf dem Headman-Debüt „It Rough“ kongenial mit Plug-ins und Synthesizersounds. Inzwischen tritt Headman als dreiköpfige Band mit Gastsängern auf, für „On“ rekrutierte Insinna aus seinem Freundeskreis prominente Vokalisten wie Stephen Dewaele von Soulwax oder Anthony Roman von Radio 4, und die nächste Platte soll sogar komplett live eingespielt werden. Die Folge: „Die Club-Presse scheint mit mir überfordert.“

Tatsächlich setzt Insinna sich zwischen allerhand Stühle. In dem Track „On and On“ wird stilsicher die goldene Ära von Disco reaktiviert, „Do U Feel“, der einzige Song mit Gesang des Meisters selbst, bemüht die Stimmung eines Depeche-Mode-Revivalabends, „Freedom Drums“ tarnt sich als harmloses Electronica-Geblubber, „Roh“ imitiert düsteren Prince-Funk und in „So Disgraceful“ lässt Headman die Sängerin Tara über einem unheimlich aseptischen New-Wave-Sound mitteilen, dass sie ihre Seele an den Rock ’n’ Roll verkauft hat. Für Insinna ist „On“ eine Platte, „die man sich zu Hause auf der Couch anhören kann“. Weil aber unter nahezu allen Tracks auch eine Bassdrum ihr Unwesen treibt, hat Insinna nichts dagegen, wenn jemand zu seinem neuen Werk auf dem Polstermöbel „rumdancen“ will.

Mit seinen geraden Rhythmen, seinen übersichtlichen Songstrukturen und den Sounds aus der Steinzeit der elektronischen Klangerzeugung klingt „On“ wie aus der Zeit gefallen. Und das ist in gewisser Weise ja auch ihr Urheber, der das altmodische Ideal vom Universalgenie wiederbeleben möchte. Schon während seines Malereistudiums an der Mailänder Kunstakademie war er selbstständig, in ein Angestelltenverhältnis hat er sich nie begeben. Stattdessen betreibt er nun schon seit Jahren sein Label Relish, gestaltet die eigenen Cover und Booklets, jettet als DJ durch die Clubs der Welt, macht auch mal eine Ausstellung und muss einen Großteil der Remix-Aufträge aus Zeitgründen ablehnen, zuletzt sogar von Auftraggebern wie Placebo. „Das darf nicht zu homogen sein“, sagt Insinna, meint damit seine Musik und könnte doch auch über sein Leben sprechen.

Headman: „On“ (Gomma/Groove Attack); Record-Release-Party am 5. 5. im Weekend, Alexanderplatz