Ein wirklich bahnbrechendes Ereignis

Bahnmanager stellen die Eröffnungsparty für den Hauptbahnhof vor. Sie kommen aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: Superbahnhof! Superparty! Lichtsinfonie! Was die Superlativansammlung kostet, verraten sie nicht

Schon ein paar Minuten redet der Bahnmanager Wolf-Dieter Siebert über den neuen Hauptbahnhof, über diesen „Superbahnhof“, den man mit einer „Superparty“ eröffnen werden, und so langsam gehen ihm die Superlative aus. Als Beweis dafür, wie zentral der Bahnhof liegt, führt er noch an, das Naturkundemuseum liege direkt um die Ecke. Glücklicher neuer Bahnhof.

Bald ist es so weit. Die Bahn eröffnet am 26. Mai ihren neuen Luxusbahnhof, am 28. Mai fahren die ersten Züge durch den neuen Nord-Süd-Tunnel. Für Berlin und das bundesweite Verkehrsnetz ist dies ein wichtiges Ereignis: Dank der Station und des Tunnels ändern sich viele Verbindungen. Doch darum ging es gestern nicht. Die Bahn ist so stolz auf die pünktliche Eröffnung – „ein Versprechen, das wir den Berlinern, Deutschland und der Welt gegeben haben!“ (Siebert) –, dass ihre Chefs Besonderes planen. Sie wollen ein bahnbrechendes Ereignis inszenieren. Ein Weltereignis.

Trunken vor Freude werfen sie jeden Rest von Bescheidenheit über Bord. Originalton Pressetext: „Zwei Züge – einer aus Ost, einer aus West – fahren ein. Sie werfen gewaltige Lichtkegel in den Himmel, die über dem neuen Bahnhof zu einer Einheit verschmelzen. Mit diesem Bild macht die Lichtsinfonie den neuen Berliner Hauptbahnhof zum Symbol für das Zusammenwachsen des ehemals geteilten Berlins.“ Kapiert? Die Bahn vereinigt Deutschland am Abend des 26. Mai endgültig. Wurde ja auch Zeit. Die dafür nötige Lichtschau wird von 600 beweglichen Scheinwerfern, 4 Lasersystemen und 5.000 Feuerwerkskörpern unterschiedlichster Größe komplettiert. „Wir werden die transparente Glasarchitektur des Bahnhofs von innen zum Glühen bringen“, verspricht der Lichtdesigner Jerry Appelt.

Von dieser Drohung lassen sich prominente Gäste nicht abschrecken. Zum Beispiel wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus einem Sonderzug steigen. Sie könnte zu Fuß gehen – das Kanzleramt liegt ein paar Schritte entfernt, aber dann würde sie sich wegen zu großen Gedränges verspäten. Mehrere 100.000 Zuschauer erhofft sich die Bahn zu dem Spektakel. Und hier kann ihr neuer Bahnhof einen echten Standortvorteil ausspielen: Platz gibt’s drumherum genug.

Das Bahnhofsfest dauert zwei Tage. Am 26. Mai treten ab 20 Uhr auf dem Vorplatz mehrere Bands auf, zum Beispiel die Gruppe Reamonn. Sie wird vor dem Superbahnhof nicht nur ihren Hit „Supergirl“ zum Besten geben. Nach der Lichtschau um 22.30 Uhr beginnt eine „Lange Nacht im Bahnhof“. Am 27. Mai dürfen dann ab 10 Uhr alle BürgerInnen in den Bahnhof, auch an den Stationen Gesundbrunnen, Potsdamer Platz und Südkreuz wird gefeiert. Auch die Kölschen Altrocker BAP sind dabei.

Und was kostet das Ganze – schließlich arbeiten 300 Menschen rund 30.000 Stunden lang allein an der Lichtschau? Nichts. Jedenfalls in der Logik der Bahnmanager. „Das ist ein Geschenk“, sagt Siebert. Angesichts des historischen Kontextes sei es nicht angebracht, „kleinkariert Cents zusammenzuzählen“.ULRICH SCHULTE