Dieser 1. Mai beglückt die Polizei

So friedlich wie im vergangenen Jahr sei der 1. Mai in Kreuzberg verlaufen, sagt die Polizei. Auch die Veranstalter des Myfests ziehen eine positive Bilanz: Sie freuen sich über die ausgelassene Stimmung

von PLUTONIA PLARRE

Euphorie? Siegesstimmung? Triumphgefühle? Von all dem war nichts zu spüren, als Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern vor versammelter Presse eine Bilanz von Walpurgisnacht und 1. Mai zogen. „Es war so friedlich wie im vergangenen Jahr“, lautete Glietschs nüchternes Fazit. Kein schlechtes Ergebnis, gemessen daran, dass der Kreuzberger 1. Mai 2005 als der friedlichste seit Ausbruch der Krawalle im Jahr 1987 in die Geschichte eingegangen ist.

Dennoch: 68 meist leicht verletzte Polizisten und 179 Festnahmen am 30. April und 1. Mai seien kein Grund zum Jubeln, hieß es. „Diese Zahlen zeigen, dass das keine harmlose Veranstaltung war“, sagte der Polizeipräsident und fügte hinzu: „Ich habe aber auch nicht damit gerechnet, dass wir die Gewalt von einem Jahr aufs andere auf null reduzieren können.“ Zur Bestätigung, dass die Polizei mit ihrer Strategie auf dem richtigen Weg sei, zitierte Glietsch das linke Internet-Portal indymedia. Dort heißt es in einem Beitrag über den 1. Mai: „Alles in allem für die Bullen eine gelungene Veranstaltung: Deeskalation durch Abwarten.“

Umso offener zeigten die Beteiligten des Bündnisses Myfest gestern ihre Freude. Das aus Anwohnern, Stadtteilinitiativen, Migrantenverbänden und Bezirksamtsmitgliedern bestehende Bündnis hatte zum vierten Mal in Folge rund um die Oranienstraße ein Straßenfest organisiert, das von weit über 10.000 Gästen besucht worden ist. „Das war eine tolle, ausgelassene Stimmung“, freute sich die Rentnerin Giesela Hellweg. „Det bisschen Krawall, dat war doch nüscht.“ Wie in den Jahren zuvor hat Hellweg in einem gläsernen Bushäuschen am Mariannenplatz T-Shirts verkauft. „Früher ist das Häuschen jedes Mal zerschlagen worden. Seit ich da stehe, bleibt es heile.“

Auch die Bezirksbügermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (Linkspartei), war zufrieden. Das Programm auf den Bühnen habe ohne Unterbrechung bis zum Ende durchgezogen werden können, sagte sie. An der Oranisation des Festes hätten sich so viele Migranten beteiligt wie nie. „Leider hat es doch noch ein bisschen Krawall gegeben. Aber wir haben einen langen Atem.“ Ihr schönstes Erlebnis: Der Anblick eines alten türkischen Paars, das in der Nacht mitten auf der Oranienstraße spazieren ging.

Für Polizeihauptkommissar Ralf-Aloys Bermel, Präventionsbeauftragter des Abschnitts 53, war es der vierzehnte 1. Mai in Kreuzberg. „Im Vergleich zu früher waren das Plänkeleien“, sagte er auf der Pressekonferenz des Myfests. Bermel war in Zivil eingesetzt. Sein Dienst endete damit, dass er einen 23-jährigen Kieler mit 1,3 Promille zur Gefangenensammelstelle begleitete. Der Mann hatte neben ihm einen Pflasterstein in eine Fensterscheibe geworfen. „Eh, Alter, du bist festgenommen“, habe er zu dem Kieler gesagt, so Bermel. Dessen Antwort: „Kann ich erst mal deinen Ausweis sehen?“

Was den übrigen 178 Festgenommen – laut Glietsch zumeist junge, alkoholisierte Männer – im Einzelnen vorgeworfen wird, hat die Polizei noch nicht aufgeschlüsselt. Körting zufolge sind in der Walpurgisnacht mindestens 20 Festnahmen erfolgt, weil die Beteiligten „Rauschgift konsumierten“. Aufklärung ergibt hoffentlich die nächste Sitzung des Innenausschusses.