Gefangen im Provinzknast

Dorf ohne Idyll: Ein tödlicher Unfall mit Fahrerflucht bringt „Arnies Welt“ ziemlich durcheinander (20.15 Uhr, ARD)

Ein dumpfes Knacken, dann ist das Genick des Kaninchens gebrochen. Der kleine Arnie (Bruno Schubert), der auf dem Bauernhof seines Opas die Osterferien verbringt, kennt das Geräusch schon. Später streichelt der Junge das zum Trocknen aufgehängte Fell des toten Tieres und singt ihm ein Abschiedslied.

So viel aufrichtige Anteilnahme scheint selten in diesem kleinen Dorf in der Eifel, wo zwar jeder ganz genau über den anderen Bescheid zu wissen glaubt und doch niemand den anderen wirklich kennen lernen will.

Mit leiser Präzision setzt Regisseurin Isabel Kleefeld („Das Gespenst von Canterville“) dieses ländliche System aus Impertinenz und Ignoranz in Szene. Sie erzählt vom Postboten (Matthias Brandt), der seine jobbedingten Kenntnisse über Mitmenschen noch mal aufbessert, indem er nach Feierabend mit dem Nachtsichtfernrohr spannen geht, oder von einer alten Bäuerin (Friederike Frerichs), die den Dorfbewohnern böse Drohbriefe schreibt.

Gefangen in diesem Provinzknast ist auch Hannah Bäumer (Caroline Peters): Tablettenabhängig, kleptomanisch und mit Faible für leichte Sommerkleider gibt die junge Frau ein leichtes Ziel für die argwöhnischen Nachbarn ab. Ihr Ehemann (Jörg Schüttauf) arbeitet als Kriminalkommissar und wurde wegen ihrer aktenkundigen Beutezüge durch die Kaufhäuser aus der großen Stadt aufs Land strafversetzt. Zurzeit hat er einen besonders heiklen Fall: Sein Kollege ist nach einer feuchtfröhlichen Abschiedsfeier tödlich verunglückt; der Kommissar würde die Angelegenheit gern so regeln, dass der Verstorbene eine ehrenvolle Verabschiedung bekommt. Dabei hat der in Wirklichkeit gar nicht selbst den Unfall verschuldet: Ein junger Hallodri ist ihm auf der falschen Straßenseite entgegengekommen, hat seinen Wagen aus der Bahn geworfen – und ihn dann schwer verletzt am Unfallort liegen lassen.

Der kleine Arnie hat das alles mit angesehen, aber wer hört schon einem siebenjährigen Jungen zu? Hannah Bäumer zum Beispiel. Aber damit verlagert sich das Problem natürlich nur: Denn wer hört schon einer tablettensüchtigen Kleptomanin zu?

Regisseurin Kleefeld, die nach dem gleichnamigen Roman von Maeve Carels auch das Drehbuch geschrieben hat, legt all die Ungeheuerlichkeiten des Provinzkosmos ohne falsche Aufgeregtheiten und Sentimentalitäten offen: Der kindliche Blick wird hier nicht verklärt; so leise wie grausam wird der kleine Protagonist aktiver Teil des tragikomischen Dorfkreislaufes. Und die Menschen, kein richtig Guter und kein richtig Böser darunter, rücken durch die Ereignisse dichter zusammen, ohne wirklich etwas übereinander zu lernen. Dein Nachbar, das ewige Rätsel. CHRISTIAN BUSS