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: Kein Grund zur Panik

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen ist 2005 nur um 13 Prozent gestiegen – ein Erfolg guter Aufklärungsarbeit

Gemessen an den apokalyptischen Szenen, die man sich – der Spiegel vor allem – Mitte der Achtziger ausmalte, ist das, was das Robert-Koch-Institut gestern kundgab, eine Bagatelle. Voriges Jahr, so dessen Bilanz, hätten die Neuinfektionen mit den Viren, die zu Aids führen, um lediglich 13 Prozent zu 2004 zugenommen. Apokalyptisch ist diese Zahl keineswegs, vielmehr ein Indiz für gute Aufklärungsarbeit.

Die Ziffer klingt zwar immer noch mächtig, aber sie ist interpretationsbedürftig. Möglicherweise zeigt sie eine gewisse Fahrlässigkeit an (in der schwulen Community vor allem) oder eine Lust, sich wieder zu riskieren – und beim Sex auf ein Kondom zu verzichten: als Teil eines Roulettes des Begehrens. Andererseits könnte die Zahl höher liegen, wäre die Sexualfrequenz so hoch wie einst, als jeder Fick noch als Akt der Rebellion durchgehen mochte.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt jedenfalls kommentierte gestern lapidar, sie verstehe die erhöhten Kondomabsatzzahlen als „Ansporn für weitere Präventionsarbeit“. Und das möchte sich, bitte, auch in einer Pflege – und nicht Planierung – der Aidsberatungs- und -aufklärungssysteme niederschlagen. An ihnen zu sparen könnte allerdings tödlich sein. JAN FEDDERSEN