Stiller Wahlkampf in Tschads brüllender Hitze

Heute lässt sich Tschads Präsident Idriss Déby wiederwählen – von Rebellen bedrängt, von der Opposition boykottiert

BERLIN taz ■ Wenn Tschads Präsident Idriss Déby Itno seine Hauptstadt Ndjamena verlässt, um Wahlkampf zu machen, ist es wie eine Expedition in den Krieg. Flugzeuge voller schwer bewaffneter Präsidialgardisten mit Flugabwehrraketen fliegen mit, und wenn der 54-jährige Déby in irgendeiner staubigen Stadt ein paar Schritte von seinem klimatisierten Geländewagen zum Redepult geht, hält seine Truppe die Menschenmenge fern.

Bei 50 Grad im Schatten ist die Gefahr eines Volksauflaufs ohnehin gering, und bei einer Wahl ohne richtige Gegner braucht der Amtsinhaber sich auch nicht anzustrengen. Tschads gesamte Opposition boykottiert die morgige Präsidentenwahl – mit Ausnahme einer winzigen sozialistischen Partei, deren Führer neben drei weiteren „Gegenkandidaten“ aus dem Regierungslager der Wiederwahl Débys einen demokratischen Anstrich geben soll. Für die Oppositionsparteien in der Hauptstadt Ndjamena und die Rebellen in den südtschadischen Ölgebieten und an der Grenze zu Sudan im Osten des Landes ist die Wahl gegenstandslos: Erst müsse ein politischer Dialog stattfinden, um Bedingungen für faire Wahlen zu schaffen.

Déby hat fast alle Unterstützer im Tschad verloren, seit er am 1. Dezember 1990 an der Spitze einer aus dem Sudan eingerückten Armee das Land eroberte und Diktator Hissein Habré stürzte, dem inzwischen die Afrikanische Union (AU) den Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit machen will. Gestützt auf die osttschadische Ethnie der Zaghawa, die auch im sudanesischen Darfur lebt, errichtete Déby eine eigene Diktatur. Wie alle seine Vorgänger kam er aus dem wüstenhaften Norden des Tschad und wurde von Frankreich unterstützt. Seine Rivalen aus dem Norden wie auch die Völker des subtropischen Südens waren ausgegrenzt.

Inzwischen sind auch seine Zaghawa-Freunde von Déby abgefallen. In Darfur werden die Zaghawa von Sudans Regierung verfolgt, aber Déby hat sich geweigert, sie zu unterstützen – aus Angst vor der Rache des Sudans, die jetzt trotzdem gekommen ist, als Warnung in Form von sudanesisch unterstützten tschadischen Rebellen. Öl sprudelt seit 2003 im Süden des Landes. Doch immer noch hat nur eine winzige Minderheit der 8,8 Millionen Einwohner des Tschad Zugang zu Trinkwasser und Strom.

1996 und erneut 2001 ließ Déby sich vom Volk wählen, wobei es jedes Mal gut belegte Fälschungsvorwürfe gab. In diesem Jahr stehen 5,8 Millionen Namen auf den Wahllisten, obwohl die Hälfte der Bevölkerung minderjährig ist. Dies ist ein Hauptgrund für den Oppositionsboykott. Ein anderer ist, dass Déby sich im Juni 2005 die Verfassung ändern ließ, um eine drittes Mal kandidieren zu können. Dies sorgte für den endgültigen Bruch zwischen dem Präsidenten und Möchtegernnachfolgern in seiner engsten Entourage. Manche davon stießen zu den Rebellen, die immer stärker geworden sind und Mitte April sogar in die Hauptstadt vorstießen. Seitdem lebt Tschad in der Angst vor einer erneuten Kriegsrunde. Die Rebellen sollen sich im Südosten des Landes sowie im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik neu gruppiert haben.

Internationale Appelle, die Wahlen zugunsten eines politischen Dialogs zu verschieben, stoßen bisher auf taube Ohren. Denn Débys wichtigster Verbündeter Frankreich hat sich dieser Forderung nicht angeschlossen. Frankreich hat ständig 1.200 Soldaten im Tschad stationiert, und bei der Rebellenoffensive im April griff die französische Luftwaffe zugunsten der Regierung in die Kämpfe ein. Dass Tschads Öl von einem US-geführten Konzern gefördert wird, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Déby konnte sich sogar leisten, mit dem Stopp der Ölexporte zu drohen – die Einnahmen daraus landen seit Jahresbeginn auf Sperrkonten, nachdem Tschads Regierung einseitig eine Vereinbarung mit der Weltbank über die sozialverträgliche Verwendung der Öleinnahmen aufgekündigt hatte.

Ausgerechnet die Weltbank hat nun pünktlich zur Wahl Schützenhilfe für Déby geleistet. Am 28. April unterzeichnete sie mit Tschads Regierung ein vorläufiges Abkommen, das eine Freigabe der Öleinnahmen nach den Wahlen möglich macht. Zukünftig sollen 70 Prozent der Ölgelder des Tschad in die Armutsbekämpfung fließen – in der abgesagten früheren Vereinbarung hatte dieser Satz bei 85 Prozent gelegen. DOMINIC JOHNSON