VW bleibt niedersächsisch

JUSTIZ Der Europäische Gerichtshof lehnt EU-Klage gegen das deutsche VW-Gesetz ab. Das Urteil von 2007 wurde korrekt umgesetzt

Bei einer Niederlage hätte Niedersachsen seine Anteile teuer aufstocken müssen

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Deutschland muss das VW-Gesetz nicht erneut ändern. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg jetzt entschieden. Eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wurde abgewiesen. Das Land Niedersachsen hat dank seiner 20-prozentigen Beteiligung an VW weiter ein Vetorecht bei grundlegenden Unternehmensfragen.

Das VW-Gesetz entstand, als das Unternehmen 1960 privatisiert wurde. Damals behielten der Bund und das Land je 20 Prozent der Aktien, die mit Sonderstimmrechten versehen wurden. So sollten die Arbeitnehmer vor einem dominanten Großaktionär geschützt werden. Der starke Staatseinfluss war ein Zugeständnis an die Gewerkschaften, nachdem das VW-Werk im Dritten Reich mit geraubten Gewerkschaftsgeldern gebaut worden war. Inzwischen hat der Bund seine Aktien längst verkauft. Derzeit nützt das Gesetz also nur noch dem Land Niedersachsen, das so regionale Standortinteressen verteidigen kann.

Die EU-Kommission sieht das Gesetz als Eingriff in den freien Kapitalverkehr. Investoren würden abgeschreckt, wenn sich der Staat per Gesetz eigene Sonderrechte vorbehalte.

In einem ersten Urteil von 2007 hatte der EuGH drei Klauseln des VW-Gesetzes beanstandet: erstens die Garantie, dass Niedersachsen stets zwei Sitze im Aufsichtsrat haben muss, zweitens die Deckelung des Stimmanteils pro Anteilseigner auf 20 Prozent und drittens die Absenkung des gesetzlich üblichen Vetorechts der Minderheit von 25 auf 20 Prozent.

Der Bundestag strich 2008 unter der damaligen Großen Koalition nur die ersten beiden Klauseln aus dem VW-Gesetz. Dagegen blieb die abgesenkte Sperrminorität von 20 Prozent bestehen. Die damalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) berief sich darauf, dass der EuGH die Klauseln zwei und drei nur „in Verbindung miteinander“ beanstandet hatte. Es genüge also, eine der beiden Klauseln zu streichen. Die EU-Kommission verlangte dagegen, auch das abgesenkte Vetorecht zu streichen. Sie klagte 2012 und beantragte Zwangs- und Bußgelder für jeden Tag der Säumnis.

Doch der EuGH lehnte die Klage der Kommission nun in vollem Umfang ab. Deutschland habe das Urteil von 2007 korrekt umgesetzt.

Derzeit besitzen die Familien Piëch und Porsche etwas mehr als 50 Prozent an VW, das Land Niedersachsen hält 20 Prozent und das Emirat Katar 17 Prozent. Die abgesenkte Vetohürde nützt derzeit also ausschließlich Niedersachsen. Bei einer Niederlage vor Gericht hätte das Land seinen Anteil teuer aufstocken müssen, um das Vetorecht zu behalten.

Das EuGH-Urteil von 2007, das immerhin die Stimmrechtsbegrenzung beseitigte, hatte Porsche zu dem Versuch ermutigt, VW zu übernehmen. Das mit Krediten finanzierte waghalsige Manöver misslang jedoch, weil wegen der Finanzkrise die Zinsen überraschend stark anstiegen. In der Folge fusionierten VW und Porsche.

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