Prodi will durchstarten

Nach Anfangsschwierigkeiten möchte Italiens künftiger Premier die Bildung einer Regierung sofort angehen – noch vor der Wahl des Staatspräsidenten

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Auch Silvio Berlusconi scheint es begriffen zu haben: Er hat die Parlamentswahl vor einem knappen Monat verloren. Gestern begab sich Berlusconi zu Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi, um das zu tun, was in Italien Wahlverlierer gewöhnlich gleich am Tag nach der Schlappe erledigen: Er reichte seinen Rücktritt ein und ließ sich mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Konstituierung der Nachfolgeregierung beauftragen.

Dass deren Chef Romano Prodi heißt, steht nach dem Krimi um die Wahl der Parlamentspräsidenten fest. Im Abgeordnetenhaus setzte sich der Mitte-links-Kandidat und Chef der Rifondazione Comunista, Fausto Bertinotti, problemlos durch. Enger war es im Senat, wo die „Union“ Prodis nur mit zwei Stimmen führt. Hier hatte der Berlusconi-Block den 87-jährigen Giulio Andreotti ins Rennen geschickt, in der Hoffnung, der Christdemokrat könne auf Sympathien auch in Prodis Reihen rechnen. Tatsächlich verfehlte der Prodi-Kandidat Franco Marini in den ersten beiden Wahlgängen die nötige absolute Mehrheit. Angesichts mehrerer umstrittener Stimmzettel kam es zu heftigen Auseinandersetzungen im Senat.

Doch die fehlenden Stimmen waren kein Misstrauensvotum gegen Marini. Andreottis – und Berlusconis Hoffnungen – auf einen Überraschungssieg zerstoben beim dritten Wahlgang, als der Prodi-Kandidat mit 165 Stimmen sogar zwei mehr als erwartet erhielt. Eine Kleinpartei aus der „Union“, die christdemokratische UDEUR, hatte Marini zwei Wahlgänge lang zappeln lassen, um im Ministerpoker Prodi unter Druck zu setzen.

Jetzt bleibt die Frage, wann Prodi zur Regierungsbildung schreiten kann. Der Wahlsieger verkündet, er habe die Kabinettsliste praktisch fertig. Seine Botschaft: Er würde gern sofort – vor der Neuwahl des Staatschefs – die Sache hinter sich bringen. Ginge es nach Prodi, so erhielte er noch zum Wochenende den Auftrag zur Regierungsbildung.

Dagegen ist aber nicht zuletzt sein wichtigster Koalitionspartner, die Linksdemokraten. Ihnen hat Prodi einige schwergewichtige Ministerien zugesagt; so gilt als ausgemacht, dass Massimo D’Alema Außenminister werden soll. D’Alema träumt aber vom Posten des Staatspräsidenten. Deshalb wünschen die Linksdemokraten die Vorziehung der Präsidentenwahl auf den Beginn nächster Woche. Ab Mitte nächster Woche könnte ein Staatspräsident D’Alema Prodi zum Premier ernennen. Wenn die Wahl nicht wie erhofft läuft, könnte D’Alema sich von Prodi als Außenminister anheuern lassen.

Ganz andere Vorstellungen hat Silvio Berlusconi. Er wettert, die Wahl eines Mitte-links-Vertreters zum Staatspräsidenten würde „die Besetzung aller Institutionen durch die Linke“ komplettieren und komme der „Diktatur einer Minderheit“ gleich. Selbst Straßenproteste schloss Berlusconi für diesen Fall nicht aus. Zugleich regte er an, einen „unparteiischen Kandidaten“ zu wählen. Sein Vorschlag: Gianni Letta. Der ist seit Jahren einer der engsten Vertrauten Berlusconis und diente ihm als Staatssekretär im Amt des Premiers. Unparteiischer geht es kaum.