Angriffskriege vors Weltgericht?

VÖLKERRECHT Die Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofs soll ausgebaut werden

AUS KÖLN CHRISTIAN RATH

Die Bundesregierung will, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) bald auch die Verursacher von Angriffskriegen bestrafen darf. Ab Ende Mai findet in Kampala (Uganda) eine Konferenz der Vertragsstaaten statt. Über den Stand der Verhandlungen berichtete der Völkerrechtler Claus Kreß, der zur deutschen Delegation gehört, bei einer Veranstaltung an der Uni Köln.

Der von 110 Staaten getragene IStGH ist bisher für drei Arten von Verbrechen zuständig: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Ist die nationale Justiz nicht willens oder fähig, Verantwortlichen den Prozess zu machen, können sie in Den Haag angeklagt werden. Derzeit wird nur über Despoten und Rebellenführer aus Afrika verhandelt. Für das Verbrechen der Aggression (Angriffskrieg) ist der 2002 eingerichtete IStGH bisher nicht zuständig, weil sich die Vertragsstaaten damals nicht einigen konnten. Ein neuer Anlauf wird vom 31. Mai bis 11. Juni in Kampala unternommen. Eine Vorbereitungsgruppe einigte sich bereits auf Eckpunkte, berichtete Kreß. Nur Staats- und Armeeführer sollen wegen eines Angriffskrieges angeklagt werden können, nicht aber einfache Soldaten und Offiziere.

Eine Anklage soll nur möglich sein, wenn ein Krieg völkerrechtlich eindeutig rechtswidrig war. Sogenannte humanitäre Interventionen wie der Nato-Einsatz im Kosovo 1999 könnten nicht zu Anklagen führen. Denn nicht alle Staaten sehen darin einen unzulässigen Bruch des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Manche Länder wie Deutschland halten Kriege zur Verteidigung der Menschenrechte für zulässig.

Umstritten wird in Kampala vor allem die Forderung Frankreichs und Englands sein, dass eine Anklage wegen Aggression nur möglich sein soll, wenn der UN-Sicherheitsrat dafür grünes Licht gegeben hat. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (USA, Russland, China, Frankreich, England) könnten so über ihr Vetorecht jede Anklage gegen eigene Staatsbürger oder Verbündete stoppen. Auch die USA unterstützen diese Position. Sie haben das IStGH-Statut zwar nicht ratifiziert, verhandeln in Kampala aber mit. Die meisten Vertragsstaaten, auch Deutschland, wollen dem Sicherheitsrat diese Rolle jedoch verwehren. Gibt es hier keinen Kompromiss, scheitern die Verhandlungen.

Der Göttinger Völkerrechtler Andreas Paulus – erst jüngst zum Bundesverfassungsrichter gewählt – wäre darüber sogar froh. Er hält die geplante Ergänzung des IStGH-Statuts für eher kontraproduktiv. „Wenn alle Angriffskriege ausgeklammert werden, die einzelne Völkerrechtler für zulässig halten, dann wird es wahrscheinlich gar keine Anklagen wegen Aggression geben.“ Er befürchtet, verantwortliche Staatschefs könnten eine Nicht-Anklage gar als Rechtfertigung missbrauchen.