vor ort
: ALEXANDER FLORIÉ über eine hastige Ministerfahrt entlang einer imaginären Bahnlinie

Eine Ministerfahrt ohne Minister – fast wäre sie Wirklichkeit geworden. Denn als kurz vor halb acht der Zug am Oberhausener Bahnhof einfuhr, fehlte nur einer: NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU), der mit dem Auto im Stau stecken blieb. „Er wird doch wohl nicht unter die Räder gekommen sein“, frozzelt der Generalsekretär der NRW-SPD, Mike Groschek. „Wir hatten schon zwölf Bundes- und Landesminister auf der Strecke zu Besuch, aber das ist das erste Mal“, konstatiert der Planer der Stadt Oberhausen, Peter Klunk. Verdutze Gesichter gibt‘s denn auch am nächsten Haltepunkt Dinslaken. Schließlich trifft Wittke einige Minuten später am City-Hotel zur Diskussion ein. „An mich müssen Sie sich länger als Verkehrsminister gewöhnen“, sagt er auf fast jeder Station seiner Reise.

Zwischen den Fahrten entlang idyllischer Landschaften und Bahnhöfen hört sich der Minister dann die Sorgen der einzelnen Kommunen an, lässt sich Statistiken über erhöhte Güteraufkommen um die Ohren schlagen. Die Bahn kommt dabei schlecht weg. „Wir wollen, dass der Minister mit der Erkenntnis nach Hause geht, dass hier der Frust und der Zorn mittlerweile echt groß sind“, sagt Franz Brüggemann von der Bürgerinitiative (BI) Dinslaken. Der Lärm nachts sei schon heute unerträglich. Seit Abschluss des deutsch-niederländischen Betuwe-Vertrages 1992 verfolgt er, wie die Bahn den Prozess aus seiner Sicht immer wieder verschleppt. „Hier am Bahnhof Sterkrade können wir nicht planen, weil die Bahn nicht mit dem dritten Gleis plant“, ärgert sich Peter Klunk, als der Tross an der verwitterten Haltestelle hält.

Auf dem Weg nach Emmerich fliegt Verkehrsminister Wittke mit der Gruppe an der niederrheinischen Landschaft vorbei, lässt sich von der Reeser Stadtplanerin Karten zeigen. „Da hilft es, dass ich von Hause aus Geologe bin“, scherzt er. „Wir haben 19 Bahnübergänge, da sollen sieben von weg und umgebaut werden. Aber das bedeutet in Zukunft 690 Minuten Schranke unten“, warnt der Emmericher Bürgermeister Johannes Diks, was da auf seine Stadt vom Verkehr her zukommt.

Wittke verspricht auf jeder Station soviel Druck auf die Deutsche Bahn wie nur möglich. Lärmschutz und drittes Gleis, klar. Personennahverkehr hat Vorrang, kein Geld für die Bahn, was die Vorentwurfsplanung angeht, wenn die nicht zu Potte kommt, sagt der Minister überall. Alles hängt mit allem zusammen, das mit dem Börsengang müsse man sich da überlegen. „Ich hab schon drei Mal mit Bahnchef Mehdorn selbst gesprochen, aber die Leute sind nie richtig zu packen, weil sie nie sagen, sie wollen das dritte Gleis nicht“, verhehlt auch der Minister seinen Ärger nicht.

Gerne erzählt er von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers‘ Hubschrauberflug über die Betuwe im vergangenen November, zusammen mit der niederländischen Verkehrsministerin. „Auf holländischer Seite war fast alles fertig, auf deutscher Seite nichts zu sehen.“ Die Unterstützung freut alle, nur der rechte Glaube fehlt: „Hoffen wir mal, dass er das durchhält“, ist das Fazit des Betuwe-AG-Sprechers Bruno Ketteler.