Nächtlicher Überfall

Der Hochsauerlandkreis gerät wegen seiner harten Abschiebemethoden erneut in die Kritik

MARSBERG taz ■ Im Hochsauerlandkreis ist wieder eine Flüchtlingsfamilie mitten in der Nacht abgeschoben worden. Sigrid Beer, stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses (Grüne), bezeichnet die Vorgehensweise des Kreises gegenüber der taz als „nicht erfreulich“. Denn die Behörden hätten weder die Bearbeitung des Falls in ihrem Ausschuss noch eine Empfehlung von der Härtefallkommission abgewartet.

Bereits im vergangenen Jahr war der Hochsauerlandkreis wegen seiner nächtlichen Abschiebungen massiv in die Kritik geraten. Lothar Kuschnik, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Arnsberg, hatte gesagt, die Praxis erinnere ihn an „faschistische Methoden“. Der Kreisdirektor hatte ihm darauf versprochen, nächtliche Abschiebungen künftig zu verhindern. „Die Abmachung hatte wohl keinen rechtsverbindlichen Charakter“, sagt Kreissprecher Jürgen Uhl. Man habe die Familie heute so früh abholen müssen, „weil der Flieger in Düsseldorf um neun Uhr ging“.

Laut ihrem Anwalt ist die 39-jährige Mutter aus Ex-Jugoslawien mit ihren fünf minderjährigen Kindern um vier Uhr früh aus der Wohnung in Marsberg abgeholt worden. Die Frau und ihre Kinder seien in der Heimat von Gewalt bedroht, weil sie den Familienvater wegen Kindesmissbrauchs vor Gericht gebracht habe. Der Mann war im Januar wegen der Übergriffe auf seine Kinder zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

Beer sieht auf Grund des Urteils „ein ziemlich reales Bedrohungspotenzial“ durch die Angehörigen des Vaters, der in einem deutschen Gefängnis sitzt. Außerdem müssten die Kinder psychologisch betreut werden. „Wenn es irgendwie geht, werden wir versuchen, die Familie zurückzuholen.“ NATALIE WIESMANN