Stinkbombe gegen Vollstreckungsbeamte

Zwei Verdächtige, aber keine Beweise: Ein Pfändungsopfer soll „Wildverbissmittel“ ins Finanzamt geworfen haben

Uwe F. ist ohne Anwalt vor dem Amtsgericht erschienen. „Wer unschuldig ist“, findet er, der braucht auch keinen Anwalt.“ Eine Stinkbombe soll der Rentner geworfen haben, darin ein übel riechendes Wildverbissmittel. Im Finanzamt nennen sie das einen „Anschlag“. Opfer war das Büro eines Vollstreckungsbeamten, die Rede ist von 5.000 Euro Sachschaden. Ganze Gebäudeteile wurden seinerzeit evakuiert.

Bald zwei Jahre ist das nun her. „Sie waren am dichtesten dran“, hielt Amtsrichter Enzo Vial dem Angeklagten gestern vor. Uwe F. stand an jener Türe im fünften Stock des Finanzamtes, dem Tatort. Gesehen will er nichts haben, nur gehört.

Überhaupt war der 66-Jährige nur da, weil sie ihm das Konto gesperrt haben. Seine Grundsteuern hat er nicht gezahlt: 126 Euro. Nicht, weil er kein Geld hätte. Über die Nullrunden bei den Rentnern hat er sich geärgert. Und seine Steuern einfach einbehalten. „Die sollen auch mal Nullrunden drehen.“ Eine Bagatellsache war das, findet er, „vielleicht ein bisschen provozierend“. Das sie ihn überhaupt angeklagt haben, kann er nicht so recht verstehen.

Und dass ein Finanzbeamter sein Konto pfänden darf, findet Uwe F. sowieso ungerecht. Also hat er Anzeige gestellt. „Das ist so meine Art.“ Auch mit der Polizei gibt es schon mal Reibereien. Oder mit der Frau Staatsanwältin aus der Nachbarschaft. Und dann war da mal diese Beleidungsklage – „ein Osterscherz“, erzählt er leutselig. Allein den Anschlag auf das Finanzamt leugnet er, vehement.

Aber „einen Verdacht“ hegt er – und hat ihn gleich als Zeugen vorladen lassen. Gerald H. ist sein Name, ein Kollege aus vergangenen Tagen. Auch er steht mit dem Finanzamt auf Kriegsfuß, auch er war zur rechten Zeit am rechten Ort. Die Polizei hat ihn allerdings nie verhört.

„Irgendwie machen die einem immer das Leben schwer“, klagt der 50-Jährige vor Gericht, „wollen Geld von einem haben.“ Und das sei ja dann doch immer ein bisschen unangenehm. Da schreibt Herr H. schon mal „Wucherzinsen“ auf die Überweisung an die Staatskasse.

Nur zu der Stinkbombe möchte er „lieber nichts“ sagen und flunkert statt dessen ein wenig. Zu groß ist die Gefahr, sich selbst zu belasten. Zum Glück hat das Gesetz für ihn an dieser Stelle ein Zeugnisverweigerungsrecht vorgesehen.

Dem Richter bleibt am Ende nichts übrig, als Uwe F. freizusprechen. Der hat seine Konsequenzen „aus dem ganzen Theater“ schon gezogen. Und sein Konto einfach aufgelöst. Nur Gerald H. wird in nächster Zeit wohl noch von der Staatsanwaltschaft hören. Uwe F. könnte dann als Zeuge vorgeladen werden.

Jan Zier