Volkswagen ist nicht existenzgefährdet

Nach seiner Vertragsverlängerung schwört VW-Chef Bernd Pischetsrieder die Aktionäre auf einen harten Sparkurs für Europas größten Autobauer ein. Details nennt er nicht, aber 20.000 Stellen und die innovative 28,8-Stunden-Woche sind in Gefahr

Aus Hamburg KAI SCHÖNEBERG

Mit einer Vertragsverlängerung bis 2012 im Rücken macht Bernd Pischetsrieder nun richtig Druck. Volkswagen müsse weltweit mit einem noch schärferen Wettbewerb rechnen, sagte der Vorstandschef der Volkswagen AG gestern auf der Hauptversammlung in Hamburg. Der Konzern sei „meilenweit“ von den eigenen Zielen entfernt. Auch wenn die Kernmarke Volkswagen im letzten Quartal erstmals wieder im Plus lag, gehe er nicht davon aus, dass VW in diesem Jahr vom „Rückenwind“ der Weltkonjunktur profitieren könne. Deshalb gelte es nun „schnell zu handeln“.

Die erhofften Details zu den Sparplänen nannte der Konzernchef jedoch nicht. Darüber werde gerade erst verhandelt, sagte er. Allerdings ist davon auszugehen, dass das Management die Arbeitszeit in den sechs westdeutschen Werken von 28,8 auf 35 Stunden anheben will – möglichst ohne Lohnausgleich.

Der Aufsichtsrat hatte den eigentlich im April 2007 auslaufenden Vertrag des 58-jährigen VW-Chefs am Vorabend der Hauptversammlung um fünf Jahre verlängert. Einstimmig, nachdem zuvor wochenlang über einen Widerstand der Arbeitnehmervertreter spekuliert worden war. IG Metall und Betriebsrat hatten offenbar versucht, das Arbeitgeberlager mit einem Veto gegen die Vertragsverlängerung unter Druck zu setzen, um möglichst viel für die rund 20.000 bedrohten Arbeitsplätzen herauszuholen.

Nun sieht die Einigung allerdings nach einem Sieg der Bosse aus: Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung sollen in der Konzernstrategie einen „gleichrangigen“ Stellenwert bekommen, heißt es. Wie der Betriebsrat in einem Schreiben veröffentlichte, sollen die angeblich unproduktiven Komponentenwerke zudem wieder direkt an den Vorstand angebunden und damit dem Aufgabenbereich von VW-Markenchef Wolfgang Bernhard, der als harter Sanierer gilt, entzogen werden. Für die schwächelnden Märkte in China, Nord- und Südamerika soll es Generalbevollmächtigte geben. In arbeitgebernahen Aufsichsratskreisen hieß es, diese Zugeständnisse seien nur ein „Entschuldigungsschreiben“ dafür, dass Gewerkschaft und Betriebsrat „faktisch nichts erreicht“ hätten. Dafür habe Pischetsrieder jetzt endlich „freie Bahn“ für die Sanierung.

„Es geht nicht darum, dass der Konzern heute in seiner Existenz gefährdet ist“, sagte der Vorstandschef dann gestern zu den Aktionären. „Aber wir müssen heute handeln, um morgen den verschärften Angriffen unserer Wettbewerber erfolgreich begegnen zu können.“ Vor allem in den westdeutschen VW-Fabriken ist die Produktion sowohl teurer als im Branchendurchschnitt als auch bei der Tochter Audi.

Mit dem Sparprogramm ForMotion hatte VW 2005 3,5 Milliarden Euro eingespart – 400 Millionen mehr als geplant. Ohne ForMotion wäre VW in die roten Zahlen gerutscht, betonte Pischetsrieder. Bis 2008 sollen durch weitere Sparmaßnahmen vor Steuern 5,1 Milliarden Euro Gewinn erzielt werden, das wären 4 Milliarden mehr als im Jahr 2004.

Dass er nun tatsächlich durchgreifen will, zeigte Pischetsrieder dann am Beispiel Südamerika. Hier müssten „die Kapazitäten angepasst werden“, sagte der Konzernchef. Vor allem das Werk in Brasilien bereitet dem Konzern Probleme – aus Gründen, die VW nur allzu bekannt sein dürften: Wieder einmal verteuern Währungsschwankungen, gegen die der Konzern nicht abgesichert ist, die Produktion. Diesmal ist es der Real, der gegenüber dem Euro so viel gewonnen hat, dass sich der Export des Kleinwagens Fox nach Europa kaum noch lohnt.