Heroin auf Rezept spaltet die große Koalition

SPD will Drogen an Abhängige abgeben und verweist auf erfolgreiches Modellprojekt. Union trotzdem dagegen

BERLIN taz ■ In der Drogenpolitik steuert die große Koalition auf einen handfesten Konflikt zu. Die SPD will künftig Heroin auf Rezept an Schwerstabhängige abgeben. „Wir möchten das als neue Substitutionsform implementieren“, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), gestern bei der Vorstellung des Drogen- und Suchtberichts. Dieses Vorhaben lehnte die CDU-Gesundheitspolitikerin Annette Widmann-Mauz strikt ab. Die Union verfolge eine ausstiegsorientierte Drogenpolitik, betonte sie.

Grundlage für Bätzings Pläne ist der erfolgreiche Abschluss eines mehrjährigen Modellprojekts, an dem über 1.000 Heroinabhängige in sieben Städten teilgenommen haben. Innerhalb eines Jahres verbesserte sich der Gesundheitszustand der Abhängigen deutlich, gleichzeitig nahm ihr illegaler Drogenkonsum ab. Beide Ergebnisse waren bei den Schwerstabhängigen, die im Modellversuch Heroin bekamen, deutlich besser als bei der Vergleichsgruppe, die mit Methadon substituiert wurde. Für die Forscher des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS), die das Modellprojekt wissenschaftlich begleitet haben, ist damit der Nachweis für die größere Wirksamkeit der Heroinbehandlung bei den schwerstabhängigen Patienten erbracht.

„Deshalb haben wir die ethische Verpflichtung, den Betroffen diese Möglichkeit zu geben“, sagte Bätzing. Der pharmazeutische Unternehmer habe inzwischen die Zulassung von Heroin als Arzneimittel beim zuständigen Bundesinstitut beantragt. Wenn diese vorliege, wolle man einen Gesetzentwurf einbringen. „Darüber wollen wir jetzt mit dem Koalitionspartner ins Gespräch kommen.“

In den beteiligten Städten, so Bätzing weiter, habe zudem die Beschaffungskriminalität deutlich abgenommen. Die Kommunen, zu denen Bonn, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München gehören, hätten sich fraktionsübergreifend für die Einführung von Heroin auf Rezept ausgesprochen.

Laut Bätzing ist das Modellprojekt auch eine Ursache dafür, dass im vergangenen Jahr die Anzahl der Drogentoten erneut gesunken ist. 2005 starben bundesweit 1.326 Menschen an den Folgen ihres Rauschgiftkonsums, das sind 4 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit ist der niedrigste Stand seit 1989 erreicht. SABINE AM ORDE