Tiefe Einblicke in die Arbeitnehmer-Seele

DATENSCHUTZ Trainer Bert van Marvijk schickt seine HSV-Spieler zum Persönlichkeitstest. Das verstößt gegen den Arbeitnehmerdatenschutz, ist aber keine Ausnahme

■ Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten.

■ Ursprünglich galten die Datenschutzregelungen im BDSG für öffentliche und private Stellen, also beispielsweise Unternehmen – nicht aber für Beschäftigte.

■ Im Jahr 2009 beschloss die Bundesregierung, dass das BDSG auch für abhängig Beschäftigte gelten soll.

■ Ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz gibt es bisher nicht.

Der neue Trainer des HSV, Bert van Marvijk, ist neugierig auf seine Spieler – und will ganz genau wissen, was sie denken und fühlen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist er jedoch zu neugierig, denn der Trainer schickt die Mannschaft sogar zum Persönlichkeitstest.

Dort sollen die Sportler Fragen zu Themen wie Familie, Gesundheit oder Sexualität beantworten. Laut Spiegel-Online handelt es sich um einen Fragebogen mit 128 Behauptungen aus 16 Lebensbereichen. Dabei gebe es in dem Test einige intime Aussagen, zu denen die Spieler Stellung beziehen müssen. Darunter: „Ich bin das, was man sexuell zügellos nennt“ oder: „Ich will jeden Sex, den ich bekommen kann“.

Wie das Wissen um solch pikante Informationen zu fußballerischen Erfolgen führen soll, weiß wohl nur Trainer van Marvijk. In jedem Fall sei der Test „in höchstem Grade unzulässig“, sagt DGB-Arbeitsrechtlerin Martina Perreng. „Fragen nach der sexuellen Orientierung sind absolut privat und gehen den Arbeitgeber gar nichts an.“

Auch Fragen nach Familie, Gesundheit, Partei- und Gewerkschaftsmitgliedschaft oder Religion seien grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn sie stünden „in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit“, erklärt Perreng.

Doch nicht nur beim HSV setzen Arbeitgeber Persönlichkeitstests und Personalfragebögen ein, um Bewerber und Arbeitnehmer vermeintlich besser kennenzulernen. „Solche Fragebögen sind nach Paragraf 94 des Betriebsverfassungsgesetzes durch den Betriebsrat mitbestimmungspflichtig“, erklärt Klaus Bertelsmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg – grundsätzlich verboten seien sie aber nicht. Der Betriebsrat könne zweifelhafte oder rechtswidrige Fragen herausfiltern. Gibt es keinen Betriebsrat, gälten für den Arbeitgeber die gesetzlichen Bestimmungen.

Doch genau hier sieht DGB-Expertin Perreng Nachholbedarf: „Es gibt nur die allgemeine gesetzliche Grundlage im Bundesdatenschutzgesetz.“ Dabei fehlten jedoch konkrete Vorgaben für den Datenschutz von Mitarbeitern, kritisiert Perreng. „Deshalb fordert der DGB ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz.“

Darin sollten nicht nur Regelungen zum Fragerecht des Arbeitgebers festgelegt werden, sondern auch die Überwachung von Arbeitnehmern – ob durch Kameras, das Mitlesen von E-Mails und Internetprotokollen oder das Mitschneiden von Telefongesprächen – verboten werden.

„Gerade weil so viele Informationen relativ leicht zugänglich sind, steigt das Interesse des Arbeitgebers daran, sich ein möglichst lückenloses Bild vom Arbeitnehmer zu machen“, vermutet Perreng. Ein Mausklick genüge, um beispielsweise auf Facebook persönliche Informationen über Mitarbeiter zu erhalten.

Auch Bertelsmann glaubt, dass die Überwachung von Arbeitnehmern heutzutage kein seltenes Phänomen ist. Persönlichkeitstests wie die beim HSV seien dennoch selten. „Eine Erfassung der Gesamtpersönlichkeit ist meistens unzulässig“, sagt der Fachanwalt.

Der HSV selbst äußerte sich der taz gegenüber nicht zu den Tests. Perreng bezweifelt im Übrigen deren Aussagekraft. „Der Betroffene hat bei unzulässigen Fragen das Recht, zu lügen.“ANDREA SCHARPEN