Der Sarrazin von der Weser

ÜBERLÄUFER

Im September bezeichnete Martin Korol sich noch als „überzeugter Sozialdemokrat“. Jetzt sitzt er als Abgeordneter der rechtspopulistischen Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW) im Bremer Landtag – „weil ich“, schreibt Korol auf seiner Homepage, „mit dem Programm grundsätzlich übereinstimme“.

Das erkannte auch Jan Timke, bisher einziger Abgeordneter der BIW. Er sprach Korol an, nachdem der erst aus der Fraktion und dann aus der SPD geflogen war – nach über 40 Jahren. „Auf seiner Homepage hat Herr Korol durchaus interessante Gedanken geäußert“, sagt Timke.

In der Tat: Als der pensionierte Deutsch- und Geschichtslehrer Korol Anfang 2013 als Nachrücker in die Bürgerschaft einzog, standen auf seiner Website üble Hetztiraden: Roma und Sinti würden in einer „uralten patriarchalischen Gesellschaft“ leben, in der Männer „keine Hemmungen“ hätten, „die Kinder zum Anschaffen zu schicken“ und „ihren Frauen die Zähne auszuschlagen“. Zur Geschlechtergleichheit teilte er mit, dass sich der „Wahn der sogenannten Selbstverwirklichung der Frau“ zeige „in der Lust an der Entfremdung auf dem fremdbestimmten Arbeitsplatz in einer Firma und im Massenmord der Abtreibungen“.

Diese Worte meinte Timke jedoch angeblich nicht, sondern jene, in denen Korol seine eigene Partei angriff: „Er hat da sinngemäß geschrieben, dass die SPD sich ausschließlich um Straftaten von rechts kümmern würde und auf dem linken Auge blind sei“, sagt Timke. Dem könne er nur zustimmen. Die BIW fordern mehr Polizei und eine „freiwillige Sicherheitswacht aus dafür geeigneten Bürgern“ sowie „hartes Vorgehen des Rechtstaates gegen kriminelle kurdisch-arabische Clans“.

Seinen Parteiausschluss fand Korol unangemessen: „Im Gegensatz zu Sarrazin, der nun wirklich biologistisch argumentiert hat“, sagte er, „habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen.“ Nun hat er bei den Wutbürgern eine neue politische Heimat gefunden – oder, wie SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe sagt: „Mit Timke und Korol wächst zusammen, was zusammengehört.“ Der frischgebackene Bürger in Wut verspricht indessen, „dass ich ein unbequemer Querdenker und Nonkonformist bleiben werde“.  SCHN