Freiheit für Kurt Wansner!

Das Maß an Freiheit in einer Gesellschaft zeigt sich immer daran, wie sie mit ihren Feinden umgeht

VON SEBASTIAN HEISER

Kurt Wansner glaubt noch an den Rechtsstaat. Der erzkonservative CDU-Abgeordnete kämpft nicht nur mit Parlamentsreden und Pressemitteilungen gegen das Flüchtlingscamp am Oranienplatz. Er hat auch Strafanzeige gegen den früheren Bezirksbürgermeister Franz Schulz und dessen Kollegen in der Leitung des Bezirksamts gestellt. Wansner meinte: Es ist Untreue, wenn den Flüchtlingen die illegale Nutzung des Platzes kostenlos erlaubt wird – anstatt dass der Bezirk die vorgesehenen Entgelte für die Sondernutzung eintreibt.

Der Bezirk hat die Wahl

Wie sollte nun der Bezirk reagieren, wenn sich herausstellt, dass Wansner selbst illegal einen Platz mit einem Wahlkampfstand besetzt hat? Der Bezirk hat die Wahl, denn es handelt sich dabei nicht um eine Straftat, die nach dem sogenannten Legalitätsprinzip von den Behörden zwingend verfolgt werden muss. Es ist eine Ordnungswidrigkeit, bei dem es dem Bezirk freisteht, ob er ein Ordnungsgeld verhängt. Oder ob er die Sache – wie bei den Flüchtlingen – ohne Sanktionen duldet.

Das Maß an Freiheit in einer Gesellschaft zeigt sich immer daran, wie sie mit ihren Feinden umgeht. In Kreuzberg also: mit Leuten wie Kurt Wansner, die die erreichten teilanarchischen Zustände abschaffen und stattdessen wieder überall Recht und Ordnung durchsetzen wollen. Wenn solche Leute die Gesetze verletzen, sollte man einfach souverän das weitermachen, was sie am meisten hassen: es tolerieren. Und auf den Plätzen dieser Stadt ist schließlich auch genug Platz für alle.