Ab sofort ohne Obdach

WOHNEN In Spandau wird ein Mann zwangsgeräumt, weil seinem Sohn Straftaten vorgeworfen werden

Der Schlüsseldienst und die Gerichtsvollzieherin kommen pünktlich. Rainer P. wartet schon und gibt ohne Gegenwehr seinen Wohnungsschlüssel ab. Nach wenigen Minuten ist das Schloss ausgetauscht, damit ist er obdachlos.

Ganz ohne Widerstand verlief die Räumung am Freitagmorgen im Spandauer Ortsteil Staaken jedoch nicht, wie David Schuster von der Initiative „Zwangsräumung verhindern“ berichtet. Das Bündnis und die Mieterinitiative Staaken hatten zum Protest aufgerufen. Die Polizei sperrte den Hauseingang und die Straße, 50 Nachbarn und Aktivisten protestierten auf der gegenüberliegenden Straßenseite und begleiteten die Räumung mit einer Sambaband und Sprechchören: „Die Häuser denen, die drin wohnen!“

Die Ypsilon-Liegenschafts-Verwaltungs GmbH hatte Rainer P. gekündigt, weil sein Sohn wegen Störung des Hausfriedens und Straftaten aufgefallen war. Ein Besuch des Sohnes in der Wohnung sei deshalb den Nachbarn nicht zuzumuten. Der erwachsene Sohn hatte zwar nicht in der Wohnung gewohnt, war aber dort gemeldet. Das Amtsgericht hatte die Kündigung zunächst abgelehnt, das Landgericht sie jedoch bestätigt. Die Richterin begründete das Urteil damit, dass Mieter auch für Dritte in ihrer Wohnung haftbar seien. „Mit meiner Zwangsräumung heute ist die Sippenhaft in Deutschland offiziell wieder eingeführt“, habe Rainer P. nach seiner Räumung gesagt, so das Bündnis.

„Zwangsräumungen sind am Stadtrand angekommen“, sagte Tom Besuch von der Mieterinitiative Staaken. Er war im Juli selbst von der Ypsilon GmbH geräumt worden und lebt seitdem in einer Notunterkunft für Obdachlose. KERSTEN AUGUSTIN