„Nach der nächsten Berlin-Wahl wollen wir regieren“

GRÜNE Andreas Otto macht aktiv Opposition, hätte aber lieber das Heft in der Hand. Schwarz-Grün ab 2016 schließt er ebenso wenig aus wie Rot-Rot-Grün

■ Bestes Mittel gegen Oppositionsfrust? Singen.

■ Bester Zwischenruf? „Unerhört!“

■ Wichtigste parlamentarische Rede in der Opposition? Senat muss endlich Wohnungspolitik anfangen!

■ Das Tollste am Opposition-Sein? Man spart sich die schlechte Stimmung in den Senatssitzungen.

■ Welches Gesetz hätten Sie am liebsten verhindert? Das über den Nachtragshaushalt 2012/13, als SPD und CDU 444 Millionen Euro in den BER nachgeschoben haben. Ohne Konzept, ohne Begründung, ohne Erfolg.

■ Bilanz der Fraktion in dieser Wahlperiode: 26 Gesetzesinitiativen, 5 Große Anfragen, 829 Kleine Anfragen, 161 mündliche Anfragen, 221 Anträge.

„Ich bin nicht der Typ, der aus Frust gegen eine Mülltonne tritt“, versichert Andreas Otto. „Aber ein wenig Abstand brauchte ich schon.“ Also fuhr der bündnisgrüne Politiker, der sich vergeblich um einen Sitz im Bundestag bemüht hatte, mit seiner Familie für eine Woche nach Elba.

Nun ist er zurück. An alter Stelle, im Abgeordnetenhaus. Die Wähler haben ihn zu weiteren drei Jahren Opposition im Land verdonnert, die Bundespolitik machen andere. Nicht ganz überraschend, sagt Otto. „Je mehr die Umfragen für die Grünen nach unten gingen, desto klarer wurde, dass mein Listenplatz nicht reicht.“ Also hängte er sich neben dem Wahlkampf weiter rein in die Oppositionsarbeit.

Andreas Otto ist Vorsitzender des Bauausschusses und Grünen-Sprecher im BER-Untersuchungsausschuss. „Ganz habe ich das Thema auch auf Elba nicht vermeiden können“, gesteht er – im Frusturlaub hat er die beiden neuen Bücher über das BER-Debakel gelesen.

Nur vier sind übrig

Dass Opposition „Mist“ ist – Franz Münteferings Machtwort, mit dem er die SPD 2005 in die Große Koalition trieb –, das gilt auch für viele Grüne. Nur vier von 29 Mitgliedern der Abgeordnetenhausfraktion haben noch den rot-grünen Sommersenat erlebt, mit dem Klaus Wowereit 2001 Rot-Schwarz ablöste.

Die letzte längere Senatsbeteiligung der Grünen liegt sogar 23 Jahre zurück. Wenn Christian Ströbele oder Renate Künast vom Regieren in Berlin erzählen, klingt das wie Omas und Opas Geschichten vom Krieg. Im Mist der Opposition stecken die Grünen ganz tief drin.

Auch deshalb begrüßt Andreas Otto, dass mit den schwarz-grünen Sondierungen auf Bundesebene etwas Bewegung ins politische Farbenspiel gekommen ist. „Wir sind eine Programmpartei“, sagt er. „Entscheidend ist nicht, mit wem wir regieren, sondern wie wir am meisten von unserem Programm umsetzen können.“

Spätestens 2016 soll es nun so weit sein: Das ist der neue Horizont in der politischen Lebensplanung des 51-Jährigen, der seit 2005 Abgeordneter ist. „Nach der nächsten Berlin-Wahl wollen wir regieren.“ Otto hält neben Rot-Grün dann auch Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün für Optionen.

Bis dahin sitzt er auf der Oppositionsbank. Und im Untersuchungsausschuss. Es ist nicht sein erster. Der Ostberliner, der 1962 in Templin geboren wurde, saß bereits in den Ausschüssen zum Spreedreieck und zur Howoge-Affäre: „Da hat man ganz andere Möglichkeiten, Dinge aufzuklären, als in einem normalen Parlamentsausschuss.“

Längst hat die „Waffe“ U-Ausschuss Konkurrenz durch die Volksentscheide bekommen. Sehr zur Freude der Grünen mit dem oppositionellen Stallgeruch. „Ein Volksentscheid kann sogar eine Regierung stürzen“, glaubt Otto. „Und ein erfolgreicher Volksentscheid ersetzt im Parlament eine Mehrheit, die du als Oppositionspartei nie erreichen kannst. Sonst kannst du nur hoffen, dass die Regierungsparteien bei dir abschreiben und es als eigene Politik verkaufen.“ Parlamentarische und außerparlamentarische Opposition zugleich: Beim Energie-Entscheid etwa ist das kein Widerspruch.

Reicht das als Motivation? „Die ersten Tage auf Elba habe ich mich immer gefragt, warum Napoleon die Insel verlassen hat und es noch mal wissen wollte“, scherzt Otto. Nun will er es selbst wissen. Auch, damit endlich jemand für das BER-Desaster Verantwortung übernimmt. „Wenn Hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt werden und die politisch Verantwortlichen keine Konsequenzen daraus ziehen oder nicht zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt Otto, „dann stimmt etwas nicht mit der Demokratie.“ UWE RADA