schurians runde welten
: Ein Schmierfink auf Mallorca

“Ich spüre schon, dass mein Körper leerer wird. Nach so vielen Jahren im Verein merke ich das plötzlich.“ (Rudi Assauer)

Es ist kein Vergnügen, verwechselt zu werden. Mit meinen Locken und der Brille hielt man mich schon für Schwarzwaldklinik-Pfleger Mischa, die Kompaktausgabe von Roger Willemsen oder den Bruder von Ulli Potofski. In letzter Zeit passierte es seltener, dafür häuften sich Gespräche über meine Arbeitsstelle. Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, für ein Boulevardblatt zu arbeiten.

Mit einer Mischung aus Abscheu, Achtung und Neugier erkundigten sich plötzlich Mannschaftskameraden nach der Zeitung, für die ich arbeite: Wir hätten uns da ein ganz schönes Ding geleistet, schmunzelten sie, einen Bock geschossen, dazu klopften sie mir aufmunternd auf die Schulter: „Du bist doch bei dieser t a z“?“ versicherten sie sich. „Ja, ja“, sagte ich, „und?“ Na, druckste es aus dem Gegenüber – mit dem Schweini und dem Agostini, seien wir doch zu weit gegangen.

Es kostete mich jeweils einige Minuten, bis ich die taz von den Vorwürfen einigermaßen entlasten konnte und alles auf die Münchner Tee Zett geschoben hatte, die die Wettbetrugsvorwürfe ja zurück genommen hat. Aber die Blicke meiner Gespächspartner verrieten ihre geheimen Gedanken: Kann ich dem Schmierfinken noch trauen, wenn der einen Nationalspieler dermaßen durch den Schmutz zieht?

Eine ganz andere Verwechslung musste ein Abwehrspieler des VfL Bochums am Tag der Arbeit ausbügeln. Martin Meichelbeck, im Fernsehen gut daran zu erkennen, dass er beim Laufen seine Arme wie ein kleiner Saurier anwinkelt, organisierte nach dem Aufstieg eine Mannschaftsreise nach Mallorca. Weil Sportreporter am Saisonende nur noch an Trauerklößen oder Bierorgien interessiert sind, wurde Meichelbeck zum Ballermann, Krachenlassen und Alkoholverbrauch angekumpelt. Der Psychologiestudent wehrte sich bemerkenswert: „Sie haben da falsche Vorstellungen“, wies er den Fernsehmann zurecht. Das Team hätte sich Valldemossa und das sehenswerte Künstlerdorf Deià angeschaut.

Das andere Mallorca hat es immer noch schwer – ich weiß das aus eigener Erfahrung. Las dort etwa das allerbeste Graffiti am Ortseingang der deutschen Parallelgesellschaft Paguera: „Ausländer raus!“ stand dort, auf deutsch. Am Ostermontag bewegte sich nun ein lauter Klangteppich in die ruhige Bucht, an der wir urlaubten. Auf dem Katamaran zappelten etwa 40 Menschen zu betäubender Diskomusik. Genauer: Das Segelschiff hatten sie zu einer Muckibude umgebaut, die Leute strampelten auf Heimtrainern, unter ihnen das Mittelmeer, darüber Sonne. Ein Tretboot – oder habe ich da etwas verwechselt? CHRISTOPH SCHURIAN