ABqueer

Homos? Gibt’s in meiner Klasse nicht! Über die Notwendigkeit, an Berliner Schulen aufzuklären

„Die SchülerInnen beschimpfen sich mit „Araber“, „Christ“, „Schwuler“, „Krüppel“, „Jude“, „Lesbe“ – nur nicht als „Hetero“, berichtet eine Grundschullehrerin für Lebenskunde im teach out Workshop von ABqueer e. V. Die acht TeilnehmerInnen des Workshops „Schule der Vielfalt“ diskutieren über ihre Erfahrungen mit Vorurteilen am Arbeitsplatz. Sie kommen alle aus dem Bildungsbereich, aus Schulen oder Jugendprojekten. ABqueer bietet ihnen die Möglichkeit, sich über lesbische, schwule, bisexuelle und transgender (lsbt) Lebensweisen auszutauschen, Handlungsmöglichkeiten im Umgang damit zu entwickeln und eine Atmosphäre der Akzeptanz zu fördern. Was so simpel mit dem Begriff Lebensweise umschrieben ist, ist leider in der derzeitigen Gesellschaft eine höchst brisante Angelegenheit: „Wer nicht den normativen Vorstellungen einer heterosexuellen Männlichkeit oder Weiblichkeit entspricht, sondern lesbisch, schwul, bi-, intergeschlechtlich oder transgender (lsbt) lebt, ist alltäglichen Anfeindungen ausgesetzt“ erklärt Alexander Lotz, Vorstandsmitglied von ABqueer.

Der Verein arbeitet gegen diese vorherrschende Sichtweise mit einem Aufklärungs- und Beratungsangebot, das sich an Jugendliche, SchülerInnen, LehrerInnen und andere pädagogische Fachkräfte wendet. Das Aufklärungsprojekt verfolgt dabei einen autobiografischen Ansatz, dem gemäß seine MitarbeiterInnen alle selbst lsbt Lebensweisen führen, um diese den AdressatInnen authentisch vermitteln zu können.

Momentan verteilt sich die Arbeit von ABqueer auf zwei Projekte: teach out richtet sich an LehrerInnen, ReferendarInnen und PädagogInnen und vermittelt in Fortbildungen Wissen über lsbt Lebensweisen. Zehn Honorarkräfte erklären, wie der Umgang mit Vorurteilen erlernt werden kann. „Keiner will Französisch lernen, weil die Sprache als schwul gilt“, erzählt eine Französischlehrerin aus dem Workshop. Sie solle es doch mal mit französischem Hip Hop versuchen, wird ihr spontan als Lösung angeboten. Andere TeilnehmerInnen berichten, wie schwer es ist, im Kollegium oder Team über lsbt Lebensweisen zu sprechen und sich über Probleme zu verständigen, weil auch hier Vorurteile und Unsicherheiten das Arbeitsklima bestimmen. Im Austausch der jeweiligen Erfahrungen entstehen dann schon die ersten Ideen, wie eine bessere Zusammenarbeit zwischen den PädagogInnen möglich sein könnte.

Ein Aufklärungsprojekt ist der zweite große Arbeitsbereich des Vereins, der sich auf Jugendliche bezieht und in Schulen und Jugendeinrichtungen angeboten wird. Zwischen 15 und 20 ehrenamtliche MitarbeiterInnen bieten an, sich mit Schulklassen über lsbt Lebensweisen zu unterhalten, sie zu informieren, aber auch ihre Probleme und Ängste zu besprechen. Dabei geht es nicht darum, „den SchülerInnen bestimmte Sichtweisen von außen aufzuzwingen, sondern sie dazu anzuregen, ihr eigenes Leben zu reflektieren und ihre Vorstellungen zu erweitern“, so Lotz. Die MitarbeiterInnen sind 18 bis höchstens 27 Jahr alt, weil zwischen den Lebenserfahrungen der SchülerInnen und ihnen ein möglichst geringer Abstand gehalten werden soll, damit sich die Inhalte besser vermitteln lassen.

Das Projekt richtet sich an SchülerInnen zwischen der fünften und zwölften Klasse und erreicht jährlich mit rund 100 Veranstaltungen 2.500 SchülerInnen in Berlin. In diesem Jahr feiert das Aufklärungsprojekt sein 20-jähriges Bestehen.

Pünktlich zum 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, startet der Verein ein neues Projekt: Queerformat nennt sich eine Bildungsinitiative, die ABqueer in Kooperation mit dem Verein KomBi – Kommunikation und Bildung trägt. Sie soll Schlüsselpersonen der Berliner Jugendhilfe Grundkenntnisse über lsbt Lebensweisen vermitteln. Dadurch soll die Antidiskriminierungsarbeit gestärkt und die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gefördert werden. Das Projekt steht im Rahmen eines Maßnahmenpakets gegen Homophobie, das bis 2011 vom Berliner Senat gefördert wird. Mit diesem Paket startet eine bundesweit bisher einzigartige Initiative – ein Erfolg, von dem es gar nicht genug geben kann.

ZOÉ SONA

■ Im Netz:

www.abqueer.de