Globalisierungskritik mit einer Stimme

Das Europäische Sozialforum in Athen sucht nach einem gemeinsamen Thema für europaweite Kampagnen

BERLIN taz ■ Die Globalisierungskritiker in Europa wollen ihre Kräfte bündeln und einheitlicher als bisher nach außen auftreten. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, diskutieren seit gestern rund 15.000 Teilnehmer des 4. Europäischen Sozialforums in Athen. Übergeordnete Verbandsstrukturen entsprechen bislang nicht dem Selbstverständnis der Bewegung. Aber: Das neoliberale Europa funktioniere längst als einheitlicher politischer Akteur, sagt Pedram Shayar, Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac in Deutschland. „Daher ist es wichtig, einen europäischen Akteur zur sozialen Bewegung zu schaffen.“

Das Europäische Sozialforum ist ein Ableger des Weltsozialforums, das sich 2001 als Gegenveranstaltung zu den globalen Wirtschaftsgipfeln gegründet hatte. Am letzten Europäischen Forum, das 2004 in London stattfand, beteiligten sich 20.000 Menschen. Nach Athen sind nun aus Deutschland über 400 Teilnehmer angereist, meist Vertreter von Nichtsregierungsorganisationen (NGOs) wie Attac. Auch Gewerkschaften, Parteien und deren Jugendgruppen schicken Vertreter.

Bisher sprachen diese Gruppen nicht einmal in Deutschland immer mit einer Stimme. Für das bis Sonntag andauernde Treffen in Athen unter dem Motto „Eine Welt, in der viele Welten einen Platz haben“, haben sich die Teilnehmer daher einiges vorgenommen.

„Hier werden wir gemeinsam nach einem Hauptthema suchen, mit dem wir europaweit mobilisieren können“, sagt Klaus Schilder. Er ist Projektmanager bei Weed, einer entwicklungspolitischen und globalisierungskritischen NGO.

Seiner Meinung nach könnte die „Prekarisierung“ möglicher Schwerpunkt sein. Unter diesem Begriff mobilisierten zuletzt auch die Euromayday-Paraden Hunderttausende am ersten Mai auf die Straßen. Ihr Kritik gilt Arbeits- und Lebensbedingungen, die immer unsicherer werden, wie zum Beispiel Dauerpraktikanten oder Beschäftigten mit befristeten Kurzzeitverträgen.

Weitere Themen auf dem Forum sind Migration, Rassismus und innere Sicherheit. „Dieses Mal gibt es aber ein stärkeres ökologisches und feministisches Profil“, sagte Katja Kipping, die für die Linkspartei vor Ort ist. Die Teilnahme von Parteipolitikern war bei vergangenen Sozialforen in Europa immer wieder in die Kritik geraten – besonders wenn die Parteien in der Regierungsverantwortung stehen, wie zum Beispiel die Linkspartei in Berlin oder die Kommunisten neuerdings in Italien

In Athen soll nun mit Blick auf die Funktion der jeweiligen Sprecher eine stärkere Transparenz herrschen, sagte Kipping: „Schließlich sollten die Foren nicht unter Wahlkämpfen leiden, sondern ein Ort für strategische Debatten unterschiedlicher linker Kräfte sein.“

CHRISTIAN HONNENS