„Das weckt Ängste“

ERDERWÄRMUNG WissenschaftlerInnen wollen die Debatte um „Klimaflüchtlinge“ versachlichen

■ ist Professor für Regionalentwicklung an der Universität Bremen

taz: Herr Flitrner, die UNO prognostiziert, dass es 2050 rund 200 Millionen „Klimaflüchtlinge“ geben wird...

Michael Flitner: Da wird mit fantastischen Zahlen operiert, das ist ein fragwürdiges Gemisch.

Die Prognose ist also schlecht belegt?

Ja, in der Tat. Es ist gibt kaum eine vernünftige Definition, was ein Klimaflüchtling sein soll. Trotzdem ist schon von „Klimakriegen“ die Rede. Das weckt Bedrohungsängste, dass einfach alle zu uns kommen. Das blendet völlig aus, dass Flüchtlinge fast immer in ihren Regionen verbleiben.

Das Thema wird benutzt, um Europa stärker abzuschotten?Ja. Gleichzeitig können diese dramatischen Darstellungen auch wohlmeinend sein, man will da ja auf ein drängendes Problem aufmerksam machen.

Wie sollte mit diesem Problem umgegangen werden?

Wir wollen klären, was an der Debatte wirklich dran ist, wer die tatsächlichen Verlierer in diesen Prozessen sind und was das für rechtliche Folgen hat.

Nämlich?

Wenn zu erwarten ist, dass durch die Erderwärmung Fluchtbewegungen zunehmen, dann müssen solche Flüchtlinge einen eigenen rechtlichen Status kriegen.

Also eine Art Flüchtlingskonvention, nicht für Opfer von Kriegen, sondern des Klimawandels?

So würde ich das nicht fassen. Aber diejenigen, die die Verantwortung für den Klimawandel tragen, müssen sich dieser Flüchtlinge und Migranten annehmen. Und das kann nur heißen, dass sie die soziale Entwicklung in den betroffenen Regionen fördern und Ressourcen für die Bewältigung von Notlagen bereitstellen müssen.INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB

Kolloquium „Migration im Klimwandel“, bis 30. Juni; Auftaktveranstaltung heute 16 Uhr, Raum 2200, SFG-Gebäude Uni Bremen